Teuflische Stiche
vor einem Schuppen Fahrräder und ein klappriger Motorroller. Eine grau getigerte Katze kratzte sich in einem hölzernen Sandkasten ein Loch. Er musste sich anstrengen, um die klemmenden Fensterflügel zu schließen und zu verriegeln.
»Steh hier nicht rum!«
»Besitzt du auch Augen am Hinterkopf?«
»Adi, ich sehe alles.«
»Das ist mir klar. Was hast du entdeckt?«
»Es gibt weder Anzeichen für außergewöhnliche Gewalteinwirkung noch eindeutige Hinweise auf ein natürliches Ableben. Einige Blutergüsse habe ich entdeckt, aber deren Ursachen werden sich erst bei einer Obduktion feststellen lassen. Auffällig ist, dass die Frau gewissenhaft gewaschen wurde. Todeszeitpunkt, vor vierundzwanzig Stunden, plus minus, würde ich sagen.«
»Das deckt sich aber nicht mit dem, was der Junge erzählt hat.«
Konnert blickte erstaunt zu seinem Stellvertreter. »Welcher Junge?«
»Der hier vom Flur. Er wohnt schräg gegenüber.«
Sie gingen gemeinsam hinüber, und Venske informierte seinen Chef. Auf dem Namensschild am Türrahmen stand »Corina Hilger«. Konnert klopfte, und kurz darauf wurde die Tür geöffnet.
»Wenn Sie mit meinem Sohn sprechen wollen, müssen Sie morgen wiederkommen. Er schläft schon.«
»Ich bin noch wach, Mama.« Der Junge stand im Pyjama an der Tür zum Schlafzimmer.
»In Gottes Namen, dann kommen Sie rein.« Frau Hilger trat zur Seite und ließ die Kommissare in die Wohnung. Venske ging vor. »Wir haben ein paar Fragen an Ihren Sohn und vielleicht auch an Sie.«
»Ich weiß nicht das Geringste. Ich halte mich da raus«, sagte Frau Hilger und streckte ihnen abwehrend ihre Hände entgegen. »Am liebsten wäre es mir, auch mein Kleiner hätte nichts damit zu tun. Aber er spioniert ja hinter allem und jedem her, was hier im Haus passiert. Was will ich machen? Gehen Sie mit ihm ins Wohnzimmer.«
Der Junge flitzte voraus.
»Sie müssen dabei sein«, erklärte Konnert und zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Das ist Vorschrift.«
Die Kommissare versuchten, den eingeschalteten klobigen Fernseher zu ignorieren und setzten sich aufs Sofa. Der Junge hockte schon mit untergeschlagenen Beinen auf einem abgewetzten Sessel, bevor seine Mutter das Programm mit der Fernbedienung beendet hatte. An der offenen Tür blieb sie stehen.
»Wie heißt du eigentlich«, fragte Venske.
»Nikolaus, weil mein Opa so hieß. Aber alle sagen nur Nick zu mir.«
»Und wie alt bist du?«, wollte Konnert wissen.
»Ich werde im Juli elf.«
»Also Nick, du hast mir erzählt, dass du vorige Woche einen Streit in der Wohnung gegenüber gehört hast. Dann sind zwei Männer herausgekommen. Einer hat einen Bart gehabt. Ist der andere Herr Stelzig gewesen?«
»Ich kenne beide nicht.«
»Nick, Stelzig ist der richtige Name von dem Mann, der dort wohnt.«
»Der war das nicht. Ich weiß doch, wie Sibelius aussieht. Der leiht mir ab und zu Bücher. Lesen, meint er, sei fast so wichtig wie essen und trinken.«
»Ich mag es eigentlich nicht, dass Nick zu dem geht«, mischte sich Nicks Mutter ein, »der ist irgendwie komisch. Man kann sich kein richtiges Bild von dem machen. Und jetzt heißt er nicht einmal von Eck?«
»Was meinen Sie mit komisch?«, fragte Konnert.
»Der ist so fremdartig. Man kriegt das Gruseln, wenn der an einem im dunklen Flur vorbeischleicht.«
»Sibelius ist ganz nett«, protestierte Nick, »überhaupt nicht gruselig.«
»Wann hast du ihn zuletzt gesehen?« Venske hatte ein Notizbuch hervorgezogen.
»Einen Tag vor dem Streit in seiner Wohnung.«
»An welchem Tag war das?«
»Am Dienstag.«
»In dieser Woche?«
»Genau. Montag, Mittwoch und Freitag geht meine Mama putzen. Dienstag haben wir Mathe geschrieben, dafür musste ich am Montag noch üben, da habe ich draußen nichts mitbekommen.« Er sah seine Mutter an. »Nein, es kann nur Dienstag gewesen sein.«
»Wann haben Sie Herrn Stelzig zum letzten Mal gesehen?«, fragte Konnert und sah Corina Hilger an.
»In der vorigen Woche. An welchem Tag kann ich mich nicht erinnern.«
»Nick, wie haben die Männer ausgesehen, die in Stelzigs Wohnung gewesen sind. Vielleicht müssen wir ein Phantombild von ihnen anfertigen lassen.«
»Den einen hab ich ja nicht richtig erkannt. Im Flur ist es nicht so hell. Aber den mit dem Bart, den habe ich früher schon mal gesehen. Den könnte ich beschreiben.«
»Gut. Wenn es nötig ist, holen wir dich ins Kommissariat. In Ordnung?
»Toll!«
»Eine andere Frage. Hat Herr Stelzig mit einer Frau
Weitere Kostenlose Bücher