Teuflische Stiche
mit den Daten des Landeskriminalamts hatte zu keinem Ergebnis geführt. Er lud sich die Vermisstendatei auf den Bildschirm. Nicht eine der dort aufgeführten Frauen passte auch nur annähernd zu der Toten.
Also ein paar Leute aus der Ermittlungsgruppe aufscheuchen und mit einem Foto der Leiche losschicken. Wenn die in der Wohnung eines Penners gefunden worden war, kam sie ja möglicherweise aus demselben Milieu. Das bedeutete noch einmal die Nachbarschaften von Stelzig abklappern, in der Stadt die bekannten Treffpunkte der Obdachlosen aufsuchen und die Mitarbeiter der Oldenburger Tafel und der Diakonie befragen.
Aber das würde Konnert nicht gefallen. Der, fand Venske, war einfach zu rücksichtsvoll mit den Kollegen. »Hätte Zeit bis nach dem Wochenende gehabt.« Er konnte den Kommentar schon hören. Also gehe ich allein los, entschied er, steckte Foto und Handy ein und machte sich auf den Weg in die Innenstadt.
Drei Stunden später kam er in sein Büro zurück und warf Foto und Handy auf seinen Schreibtisch. Keiner der Befragten kannte die Frau. Keiner hatte die Tote zusammen mit von Eck gesehen. Natürlich, die Wohnungslosen und Bettler wollen einem Bullen nichts sagen. Ich muss warten, bis die Kriminaltechnik vielleicht etwas zur Aufklärung beitragen kann. Am Montag.
***
Konnert saß wieder auf seiner Terrasse und rauchte. Zum Rasenvertikutieren konnte er sich nicht aufraffen. Das würde auch noch im nächsten Monat früh genug sein. Er hatte nur lustlos eingekauft und eine Sechzig-Grad-Wäsche angestellt.
Mit trägem Blick auf seinen Komposthaufen und die Wäscheleine davor, dachte er an die Wohnung vom Freiherrn. Gab es da eine Waschmaschine? In Gedanken ging er durch die Zimmer. Er konnte sich nicht erinnern, eine gesehen zu haben, weder im Bad noch in der Küche. Er fummelte sein Handy aus der Hosentasche und rief Venske an. »Hast du eine Waschmaschine bei Stelzig gesehen?«
»Ist das wichtig?«
»Sag schon!«
»Lass mich nachdenken … Nein, da war keine.«
»Bis du dir sicher?«
»Warum ist das von Bedeutung?«
»Hast du eine Waschmaschine?«
»Natürlich.«
»Du wäschst deine Wäsche selbst?« In Konnerts Unterton war die Verwunderung nicht zu überhören.
»Natürlich nicht. Die gebe ich in eine Wäscherei.«
»Warum hast du dann eine Waschmaschine?«
»Die hat doch jeder.«
»Von Eck hat keine. Dafür hat er in seinem Kleiderschrank Unterwäsche wie ein Großhändler und seine Schmutzwäsche wirft er zusammen mit Abfall in den Mülleimer. Was sagt dir das?«
»Er macht sich nichts aus Wäschewaschen.«
»Mir sagt das: Er hat sehr merkwürdige Gepflogenheiten und vor allem mehr Geld, als man bei einem Bettler vermutet hätte.«
»Bücher gibt es auch in Hülle und Fülle. Und die Sachbücher, die er da stehen hat, sind nicht billig.«
»Hast du dir die Titel angesehen?«
»Ging doch nicht. Van Stevendaal hat uns ja aus dem Zimmer gejagt.«
»Hol mich ab. Wir gehen noch mal in die Wohnung.«
Konnert zündete seine Pfeife neu an. Er spürte, wie ihm dieser Freiherr zu imponieren begann. Ein Leben abseits der üblichen Regeln und Schablonen, einen selbstbestimmten Weg gehen. Geheimnisumwittert, unabhängig von kleinbürgerlichen Erwartungen, einen eigenen Stil ausprobieren. Konnert ließ seiner Fantasie freien Lauf, träumte ein wenig von einem Alltag ohne Vorgesetzte und Verpflichtungen. Er qualmte blaue Wolken in die Frühlingsluft.
Eine Amsel zupfte Moos aus seinem Rasen und warf die Büschel mit Schwung beiseite. Plötzlich flog sie auf und verschwand hinter der Buchenhecke. Was spinne ich mir da für einen Unsinn zurecht. Ich kenne den Freiherrn doch gar nicht. Noch nicht.
***
Mit seinem Taschenmesser schnitt Konnert an der notdürftig reparierten Tür das Siegel durch. Venske hatte den Wohnungsschlüssel aus der Kriminaltechnik geholt und schloss auf.
»Willst du nicht erst Handschuhe anziehen?« Konnert reichte ihm ein Paar und blaue Überzieher für die Schuhe.
Venske hielt seine Taschenlampe in Schulterhöhe und leuchtete von oben in den Wohnungsflur. Der lange Gang wirkte enger und höher als am Vortag. Die Zimmertüren waren sorgfältig geschlossen. Mit dem Lichtstrahl tastete Venske die Wände nach dem Sicherungskasten ab und fand ihn neben der Tür zum Bad.
»Verdammt! Alle Sicherungen fehlen. Hier weiß aber einer, was er tun muss, um uns die Arbeit zu erschweren.«
Konnert reagierte gleichgültig auf den Fluch. Früher hätte er Venske zum wiederholten
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