Teuflische Versprechen
Frau dabei, ihr Leben neu zu gestalten, und darin war für ihn, so hatte sie ihm deutlich zu verstehen gegeben, kein Platz mehr. Sie hatte drei Kinder ausgetragen und geboren und brachte ihnen alle Liebe entgegen, zu der sie fähig war. Und sie hatte ihn geliebt und er alles kaputtgemacht. In ihm war auf einmal eine unendliche Leere, ein Vakuum, das er nicht zu füllen vermochte. Alles drehte sich um ihn, er war zu keinem klaren Gedanken fähig. Er fürchtete sich davor, ihr die Wahrheit zu beichten, er fürchtete sich vor ihrer Reaktion, vor dem, was sie sagen würde. Aber es war zu spät, alles war zu spät, er war gefangen in einem Teufelskreis, und nun war auch seine Frau eine Gefangene. Er hatte keine andere Wahl, er musste ihr alles beichten, auch wenn er dadurch sein eigenes Leben ruinierte. Was hatte er schon noch zu verlieren?
»Ich werde dich zu gar nichts zwingen, aber ich kann aufstehen und schon mal anfangen, deine Sachen zu packen. Das mit der Organisation, wer immer auch dahinterstecken mag, geht mich nichts an.«
Hans zitterte, doch als sie aufstehen wollte, hob er die Hand. »Bleib sitzen, bitte. Also gut, ich sag’s, aber du musst mir versprechen,es unbedingt für dich zu behalten. Ich will dich nicht verlieren, denn ich liebe dich noch immer, auch wenn du es nicht glauben magst. Ich habe verdammt viel Mist gebaut, und es tut mir alles so wahnsinnig leid.«
»Jetzt hör doch auf rumzuschwafeln, und sag endlich, was los ist«, fuhr sie ihn ungehalten an.
»Es stimmt, was dein Detektiv herausgefunden hat, der Kunst- und Kulturverein ist ein Bordell. Aber das ist eine lange Geschichte. Damals, als ich in die Partei eingetreten bin, hätte ich niemals gedacht, jemals so hoch aufzusteigen und gleichzeitig so tief zu sinken. Ich könnte mich heute noch ohrfeigen, jemals Politiker geworden zu sein. Aber das Rad der Zeit lässt sich leider nicht zurückdrehen. Es dreht sich immer nur in eine Richtung, es bleibt nie stehen, immer nur drehen, drehen, drehen, ich komme mir vor wie ein Hamster.«
Er hielt inne, schenkte sich Cognac nach und trank das Glas in einem Zug leer. Er hatte eine Hand in der Hosentasche, kniff die Augen zusammen und schleuderte das Glas mit voller Wucht gegen die Wand, wo es in viele tausend Stücke zerschellte. Kirsten Simoneit sah ihn erschrocken an, ohne etwas zu sagen.
»Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken. Nun, jedenfalls ahnte ich, als ich in die Partei eingetreten bin, nicht, wie sich mein gottverdammtes Leben damit verändern würde. Erinnerst du dich noch, wie schnell ich ins Innenministerium gekommen bin? Es hat gerade mal zwei Jahre gedauert, für einen Neuen, der alles von der Pike auf lernen musste, geradezu sensationell. Und heute?« Er schüttelte den Kopf und wischte sich mit einer Hand den Schweiß von der Stirn. »Heute werde ich schon als einer der künftigen Kanzlerkandidaten gehandelt, obwohl ich nur Landtagsvize bin. Aber ich erfahre eine besondere Behandlung, und das nur, weil ich gut reden kann,ansonsten bin ich eine Niete. Ich habe so gut wie keine Ahnung, wie Politik funktioniert, denn ich fälle keine Entscheidungen, ich gebe sie höchstens bekannt. Natürlich schreiben die Zeitungen über mich, Hans Simoneit, der große Macher, der Visionär, der Mann, der Deutschland aus der Krise führen kann. Mein Gott, die haben ja keine Ahnung, was sich hinter den Kulissen wirklich abspielt. Alles nur Lug und Trug, Lüge und Verrat, Kumpanei, Vetternwirtschaft und Kuhhandel, keine Spur von Ehrlichkeit mehr … Ja, ich habe mich da reinziehen lassen, und ich hasse mich dafür, aber das bringt mir jetzt auch nichts mehr.«
»Kannst du nicht endlich mal auf den Punkt kommen?«
»Natürlich, entschuldige. Weißt du noch, wer mir damals geholfen hat, so schnell nach oben zu kommen?«
»Nein, woher soll ich das wissen?«
»Es war ein Mann, der wohl sofort gespürt haben muss, wie leicht er mich haben kann. Klingelt’s jetzt?«
»Nein, wenn du bitte etwas deutlicher werden könntest.«
»Mein Gott, überleg doch mal, so viele gibt’s doch nicht!«
»Ulrich?«, fragte Kirsten Simoneit zweifelnd.
»Genau der. Dieser Saukerl hat so unglaubliche Beziehungen.« Er hielt inne, sah kurz seine Frau an und fuhr fort: »Jedenfalls habe ich es ihm zu verdanken, dass meine Karriere so rasant voranging. Ich stieg höher und höher, und immer war es Ulrich, der mich dahin brachte, wo ich hinwollte, wobei ich viel zu spät begriff, dass er ganz eigene Interessen
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