Teuflische Versprechen
und aufmerksam um sie bemüht gewesen. Als wäre mit der Hochzeit ein Schalter bei ihm umgelegt worden, wurden die folgenden vierzehn Jahre zu einer einzigen Irrfahrt durch die Hölle, mit Prügeln, Vergewaltigungen, Drohungen. Drei Kinder waren aus dieser Ehe hervorgegangen, die mitbekamen, was mit ihr geschah. Zweimal war sie ins Frauenhaus geflohen, zweimal war sie wieder zu ihrem Mann zurückgekehrt, nachdem er hoch und heilig versprochen hatte, sich zu ändern. Bis sie schließlich den Absprung geschafft und jetzt die Scheidung eingereicht hatte. Sie lebte wieder im Frauenhaus, terrorisiert von ihrem Mann, einem biederen Beamten, dem keiner ansah, was für ein Monster sich hinter seiner sauberen Fassade verbarg. Die älteste Tochter, dreizehn, war seit einem halben Jahr wie vom Erdboden verschluckt. Man ging davon aus, dass sie entweder nicht mehr lebte oder, was wahrscheinlicher war, im Drogensumpf verschwunden war, denn es gab einige Zeugen, die sie angeblich im Bahnhofsviertel gesehen hatten, ein anderer wollte sie sogar auf dem Berliner Kinderstrich erblickt haben. Die beiden anderen Kinder wohnten mit im Frauenhaus, in einem Zimmer mit der Mutter, und die Situation wurde von Tag zu Tag unerträglicher. Ob diese noch junge, aber gebrochene Frau wirklich die Kraft besaß, diesen Scheidungskrieg durchzustehen, bezweifelte Rita. Aber sie würde ihr helfen, so gut es ging.
Ihre eigene Ehe war scheinbar glücklich gewesen, bis ihr eine Bekannte steckte, dass ihr Exmann ein notorischer Fremdgänger war, der mehrere Affären gleichzeitig laufen hatte. Sie hatte ihm auf diesen Schock hin keine Szene gemacht, sondern einen Brief geschrieben, wortlos seine Koffer gepackt und vor die Tür gestellt und das Schloss ausgetauscht. Er hatte danach mehrere Tage immer wieder versucht, Kontaktzu ihr aufzunehmen, aber für sie war der Fall erledigt gewesen, vor allem, als sie erfuhr, dass er es auch mit ihrer damaligen Freundin getrieben hatte. Doch dies war Schnee von gestern, lag fünf Jahre zurück. Sie hatte das meiste aus ihrem Gedächtnis gestrichen (zumindest redete sie sich das ein), sowohl die guten als auch die schlechten Tage. Jetzt lebte sie allein, Sex nahm sie sich, wie er sich gerade anbot, aber unter all jenen, mit denen sie schlief, war keiner, mit dem sie zusammenleben wollte. Die Arbeit war ihr ein und alles, und manchmal hielt sie sich bis nachts um zehn, elf in der Kanzlei auf, um am nächsten Morgen um sieben oder halb acht schon wieder im Büro zu sein. Der einzige Luxus, den sie sich gönnte, waren jedes Jahr vier Wochen Urlaub, mal in der Karibik, mal auf Hawaii, sie war sogar schon auf Tahiti gewesen, und das jeweils mit ihrer besten und einzigen Freundin Verena Michel. Und am 22. Dezember würde sie wieder für vier Wochen dem Winter in Deutschland entfliehen (vor allem aber Frankfurt und ihrem elenden Dasein, als das sie ihr Leben empfand, auch wenn sie dies nie zugeben würde, nicht einmal ihrer besten Freundin gegenüber) und diesmal auf die Seychellen fliegen. Alles war gebucht, der Flug, das Hotel, selbst der Mietwagen. Einen Monat lang die Seele baumeln und sich treiben lassen.
Um siebzehn Uhr verließ sie die Kanzlei in der Schillerstraße, ging zum Parkhaus Börse und fuhr nach Hause, um zu duschen (es gab Tage, und die waren nicht selten, da fühlte sie sich nach acht oder neun Stunden in der Kanzlei schmutzig von all dem Gehörten, was ihr die Mandanten anvertrauten) und sich etwas anderes anzuziehen, denn auch Zaubel kam zu jedem Treffen im Anzug und mit Krawatte. Er gehörte nicht zu den Journalisten, die ausschließlich in Jeans und Schlabberpulli rumliefen, drei Schachteln Zigaretten am Tag rauchtenund sich abends in eine Kneipe verzogen und Bier und Whiskey in sich hineinschütteten, denn auch davon kannte Rita Hendriks einige. Zaubel war eine Ausnahmeerscheinung, abgesehen von jenen Fernsehreportern, die sich vornehmlich im Studio aufhielten und auch eine entsprechende Kamerapräsenz zeigen mussten.
Um halb acht machte sie sich auf den Weg, fand einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe und betrat fünf Minuten vor der verabredeten Zeit das Restaurant. Zaubel war noch nicht da, erschien aber um Punkt acht. Er hatte sein typisch jungenhaftes Lächeln auf den Lippen, obwohl er bereits fünfundfünfzig war, aber irgendetwas war ihm in die Wiege gelegt worden, das ihn nicht altern und mindestens fünfzehn Jahre jünger aussehen ließ. Sein Gesicht war fast faltenlos, seine Augen wach und
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