Teuflische Versprechen
jetzt muss ich rüber in mein Büro, die Arbeit ruft, hörst du’s?« Er zwinkerte ihr noch einmal aufmunternd zu und verließ den Raum.
Rita Hendriks sah ihm hinterher, stellte sich ans Fenster und schaute gedankenverloren hinunter auf die Schillerstraße, die sich allmählich mit Menschen füllte, obwohl die Geschäfte erst um halb zehn, manche sogar erst um zehn öffneten. Sie fragte sich, ob es ein Fehler gewesen war, Knoblauch einzuweihen, sie fragte sich aber auch, warum er nicht gesagt hatte, dass sie etwas Illegales tat. Natürlich war es illegal, aber manchmal war es notwendig, die Gesetze zu umschiffen, um einen Menschen zu retten. Und Maria war ihr vom ersten Moment an sympathisch gewesen, und selbst wenn sie das Erzählte noch zu gut im Ohr hatte, so konnte sie sich doch nicht wirklich vorstellen, was Maria in den letzten Jahren durchleidenmusste. Sie selbst lebte in einer heilen, behüteten Welt, auch wenn ihr Dasein hauptsächlich aus Arbeit bestand. Sie hatte nie Not leiden müssen, sie hatte genügend Geld, ein schönes Zuhause, ein geregeltes Leben.
Rita Hendriks hatte schon von den Zuständen in Ländern wie Rumänien und Moldawien gelesen und gehört, sie wusste, dass dort manche Kinder von ihren Eltern verstoßen wurden und auf beziehungsweise unter der Straße in der Kanalisation hausten und allein auf sich gestellt dahinvegetierten, ohne die geringste Aussicht, dass sich ihr Leben irgendwann zum Besseren wenden würde. Aber Rumänien und Moldawien, die Ukraine und Weißrussland waren eine andere Welt, weit entfernt, doch jetzt, mit Maria, auf einmal zum Greifen nah. Eine junge Frau, die allein aufgrund ihrer Schönheit zum Opfer geworden war. Nur ein wenig unansehnlicher oder gar hässlich, wenn es denn überhaupt hässliche Menschen gab, und keiner hätte auch nur einen Gedanken daran verschwendet, sie zu verschleppen und als Prostituierte zu benutzen und zu missbrauchen. Eine junge Frau, deren Leben völlig aus den Fugen geraten war und die es verdient hatte, endlich menschenwürdig behandelt zu werden.
Sie wandte sich um, ging zu ihrem Schreibtisch, nahm im Stehen den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer ihrer Freundin.
»Hi, ich bin’s«, sagte Rita. »Ich wollte nur kurz Bescheid geben, dass ich mich gestern mit Zaubel getroffen habe. Aber das besprechen wir alles heute Abend. Ich schätze, dass ich so gegen acht bei euch bin, denn vorher muss ich noch mit einer Kommissarin telefonieren …«
»Hat Zaubel …«
»Ja, ich hab ihren Namen von ihm. Ich will versuchen mich so bald wie möglich mit ihr zu treffen, wenn’s geht heute noch.Sollte es später als acht werden, ruf ich auf jeden Fall an. Ich fahr nach Hause, mach mich frisch und komm dann zu euch. Wie geht’s Maria?«
Verena lachte auf und antwortete: »Du wirst es nicht glauben, aber sie wirbelt seit gestern wie eine Wilde durchs Haus und macht sauber. Ich glaub, wenn die fertig ist, werd ich meine eigene Wohnung nicht wiedererkennen. Bin mal gespannt, wie’s aussieht, wenn ich nachher nach Hause komme. Ich lass sie einfach machen, dadurch wird sie wenigstens abgelenkt.«
»Hat sie geschlafen?«
»Sie behauptet, ja. Ich hab mich jedenfalls die letzten beiden Nächte nur rumgewälzt, weil mir tausend Gedanken auf einmal durch den Kopf gegangen sind.«
»Kann ich verstehen. Ich muss jetzt Schluss machen, ich melde mich auf jeden Fall, sollte es später werden. Bis dann.«
Sie legte auf, setzte sich und fuhr sich mit einer Hand über die Stirn. Sie schwitzte, obgleich es nicht sonderlich warm im Büro war. Seit zehn Jahren arbeitete sie als Anwältin, hatte schon einige heikle Fälle, wenn auch nur Familienstreitigkeiten, über die Bühne gebracht, aber diese neue, ungewohnte Situation zerrte an ihren Nerven. Sie erhob sich wieder, wühlte in ihrer Handtasche und fluchte leise, weil sie ihre Zigaretten vergessen hatte. Sie begab sich zu Frau Zimmermann ins Vorzimmer und fragte sie, ob sie eine Zigarette für sie habe.
»Natürlich. Wenn Sie möchten, hole ich Ihnen auch welche.«
»Das wäre ganz lieb von Ihnen.«
Regina Zimmermann hielt ihr die Schachtel hin, gab ihr Feuer und sah sie prüfend an, ohne jedoch etwas zu sagen oder gar eine Frage zu stellen, auch wenn sie brennend interessierte, warum ihre Chefin sich heute anders verhielt als gewöhnlich.
»Danke.« Sie inhalierte tief, die Nervosität schwand allmählich. Als sie zu Ende geraucht hatte, drückte sie die Zigaretteim Aschenbecher aus und
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