Teuflische Versprechen
werden, diesen Fall zu lösen, wenn er denn überhaupt zu lösen war. Es gab viele Huren, die in den einschlägigen Hotels mit ihren Freiern regelmäßig ein- und ausgingen, aber es gab auch einige, die nur einmal kamen und sich dann nie wieder blicken ließen. Deshalb hatte sie es auch unterlassen, die Beamten vom 4. Revier zu verständigen, um den Pächter aufs Präsidium bringen zu lassen. Sie brauchte andere Zeugen. Allerdings war jene Gegend nicht gerade berühmt dafür, dass die Leute viel sahen oder gar mitteilungsbedürftig waren. Das Bahnhofsviertel war eine eigene Welt, mit zum Teil seltsamen Kreaturen. Es schien in bestimmten Bereichen ein gesetzloser Raum zu sein, zu dem selbst die Polizei keinen Zutritt fand.
Auf der Fahrt ins Büro dachte sie an den zurückliegenden Tag und hoffte gleichzeitig, dass er nicht so trist und trüb endete,wie er begonnen hatte. Sie nahm den Aufzug, und gerade als sie ihr Büro betreten wollte, kam ihr Hellmer entgegen und bat sie, gleich mit ins Verhörzimmer zu kommen.
»Der Typ will einfach nicht die Klappe aufmachen, vielleicht kriegst du ja was aus ihm raus«, sagte er.
»Wieso habt ihr ihn festgenommen, und wie seid ihr überhaupt auf ihn gekommen?«
»Ein anonymer Hinweis«, antwortete Hellmer nur. Er machte die Tür auf, Durant kniff die Augen zusammen, der Raum war vollkommen abgedunkelt. Bevor sie etwas sagen konnte, ging das Licht an, eine Girlande, in deren Mitte in riesigen bunten Lettern
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«
stand, zog sich von einer Wand zur andern, zwei aneinandergestellte Tische mit einer großen Torte und einem opulenten Büfett, ein paar Flaschen Champagner, Wein und Bier befanden sich an der hinteren Wand, davor ein kleinerer Tisch mit allerlei Geschenken. Fast alle Beamten der vier Abteilungen der Mordkommission und einige Kollegen aus diversen anderen Dezernaten waren versammelt und stimmten auf ein Zeichen von Berger »Happy birthday to you« an. Durant stand wie versteinert da, nicht, weil sie entsetzt war, sondern gerührt, und schaffte sie es auch meist, ihre Tränen vor den andern zurückzuhalten, so gelang es ihr diesmal nicht. Hellmer nahm sie in den Arm, drückte sie fest an sich und sagte, nachdem sie zu Ende gesungen hatten: »He, altes Haus, nochmals alles, alles Liebe und Gute zum Geburtstag. Auch wenn du darauf bestanden hast, nicht zu feiern, uns kannst du es nicht verbieten. Und ich glaube, ich spreche jetzt im Namen aller hier, du bist und bleibst einfach unersetzlich. Ich arbeite mit niemandem so gerne zusammen wie mit dir. So, und jetzt genieß den Abend, er gehört ganz alleine dir.«
Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus demGesicht und stammelte: »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, aber …«
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte Berger. »Vergessen Sie mal für einen Augenblick die Arbeit, und lassen Sie uns zusammen feiern. Es ist schließlich Ihr Ehrentag. Und wenn Sie vielleicht denken, dass Sie heute eine magische Grenze überschritten haben, dann sehen Sie mich alten Knochen an, fünfundfünfzig und fit wie ein Turnschuh. Ich kann Herrn Hellmer nur beipflichten, Sie sind eine Spitzenermittlerin und damit einfach unersetzlich. Und wenn gleich alle mit dem Gratulieren fertig sind, trinken wir erst ein Glas Champagner und danach machen Sie bitte die Geschenke auf, denn wir warten schon begierig darauf, uns mit Macht auf die Torte und das Büfett stürzen zu dürfen. Ach ja, bevor ich’s vergesse, da wartet noch eine Überraschung auf Sie. Dazu müssen Sie aber bitte die Augen schließen. Nur für einen Moment.«
Sie machte die Augen zu, bis sie jemand von hinten umarmte und mit dieser unverkennbar markanten Stimme sagte: »Auch von mir alles, alles Liebe zum Geburtstag.«
»Papa!«, stieß sie mit ungläubigem Blick hervor und drehte sich um. »Was machst du denn hier? Wir haben doch heute früh erst …«
»Tja, wenn ich sonst schon nie in Frankfurt bin, an diesem Tag konnte und wollte ich es mir einfach nicht nehmen lassen. Und dabei hab ich endlich auch einmal deine Kollegen kennen gelernt. Und jetzt stoßen wir auf dich an.«
»Ich glaub’s einfach nicht«, stammelte sie, »ich kann’s einfach nicht glauben. Danke, danke, danke.«
Kullmer und Hellmer hatten die Gläser gefüllt, und alle prosteten Julia Durant zu, die noch immer meinte, sich in einem Traum zu befinden, einem zugegeben schönen Traum. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Auch wenn
Weitere Kostenlose Bücher