Teuflische Versprechen
ich auch sage, der Staatsanwalt dreht mir das Wort im Mund rum. Und heute soll ich diesen ganzen Mist noch mal über mich ergehen lassen. Doch vorher mach ich einen Abstecher in die Münchener Straße in das Stundenhotel, um mir den Besitzer noch einmal vorzuknöpfen. Irgendwas an der Geschichte stimmt nicht, aber ich komm nicht drauf, was.«
»Hellmer und Kullmer bearbeiten doch den Fall. Und warum wollen Sie sich das ausgerechnet heute auflasten?«
»Weil es irgendwie auch mein Fall ist. Die Nutte ist angeblich nicht mehr auftreibbar, der Pächter hat sie angeblich am Dienstag letzter Woche zum ersten Mal überhaupt gesehen, aber der Tote wurde mit einem einzigen Stich ins Herz ermordet. Und genau deshalb werde ich noch ein paar sehr unangenehme Fragen stellen, und sollte er nicht kooperieren, lass ich ihn herbringen. Notfalls verliert er seine Lizenz. Mal sehen, ob wir ihn nicht so bei den Eiern packen können.«
»Seien Sie vorsichtig, das ist eine gefährliche Ecke. Am besten nehmen Sie Verstärkung mit.«
»Nein, ich will allein mit ihm sprechen. Wenn er redet, ruf ich von unterwegs an, wenn nicht, bringen ihn unsere Leutevom 4. Revier her. Dann kann sich Hellmer oder Kullmer weiter mit ihm beschäftigen.«
»Kommen Sie denn heute noch mal rein?«, wollte Berger wissen.
»Nach dem Gericht. Es wird aber bestimmt nicht vor fünf sein, gestern wurde es sogar halb sechs, bis ich aus diesem Höllenloch raus war.«
»Okay, wir sehen uns dann später. Viel Glück.«
Julia Durant war froh, vor Hellmer und den andern wieder aus dem Präsidium rauszukommen, und sie würde sich überlegen, ob sie am Nachmittag noch einmal zurückkehren oder besser gleich nach Hause fahren würde, um es einen Abend wie jeden andern werden zu lassen. Mit Salamibrot, Tomatensuppe, zwei, vielleicht auch drei Dosen Bier und in die Glotze stieren und mit ihrem Vater telefonieren, obwohl der schon um sieben angerufen hatte, um ihr zu gratulieren. Oder vielleicht doch in ihre Bar gehen, einen Typen aufreißen, den Hormonhaushalt auf Vordermann bringen, und morgen würde heute schon wieder gestern sein und der ganz normale Alltag seinen ganz normalen Lauf nehmen. Es ist doch nur heute, es ist doch nur diese verdammte Zahl an diesem verdammten Tag! Sicher, andere feierten ihren Vierzigsten, bis die Schwarte krachte. Hellmer würde es nächstes Jahr so machen, das hatte er bereits angekündigt, und Kullmer hatte vor zwei Jahren eine Riesensause steigen lassen, und er hatte in Doris Seidel nicht nur eine Partnerin im Job gefunden, sondern auch privat, und überhaupt war dieses Leben so gottverdammt ungerecht in ihren Augen. Warum hatte sie niemanden, der sie oder den sie abends empfing, keinen, der Tisch und Bett mit ihr teilte, keinen, bei dem sie sich anlehnen konnte, wenn ihr danach war, keinen, bei dem sie sich auskotzen konnte (ihren Vater ausgenommen, aber ein Vater war kein Ersatz für jemanden, dessenZärtlichkeit sie brauchte), keinen, der ihr all das gab, wonach sie sich seit Jahren sehnte? Sie hätte heulen können vor Wut und Trauer und Selbstmitleid über ihr verkorkstes Privatleben, aber dafür war jetzt kein Platz. Ein anstrengender und sicher auch nervenaufreibender Tag lag vor ihr, und für sentimentale Gefühle war dies so ziemlich der ungeeignetste Moment. Und das war auch gut so. Obwohl sie im Auto wieder jener Weltschmerz überkam, der sie veranlasste, die Lautstärke ihres CD-Spielers fast bis zum Anschlag hochzudrehen, und die Stimme von Axl Rose fast ihr Trommelfell zum Platzen brachte. Ablenkung.
Mittwoch, 8.10 Uhr
Rita Hendriks hatte eine unruhige Nacht mit einem unerklärlichen düsteren Traum hinter sich, an den sie sich nur noch schemenhaft erinnern konnte, der ihr aber Unbehagen bereitet hatte, während sie träumte, und als sie nach dem Aufstehen in den Spiegel sah, schüttelte sie nur den Kopf. Sie war blass, und die Augen waren klein. Sie hätte heute noch zwei, drei Stunden länger im Bett bleiben wollen, doch die erste Klientin hatte sich für neun Uhr angemeldet, und vorher musste sie noch zwei Telefonate erledigen, eines mit einem Mandanten, vor allem aber mit ihrer Freundin Verena, um ihr einen kurzen Abriss über ihr Treffen mit Zaubel zu geben und einen Termin für den Abend auszumachen.
Als sie um kurz nach acht in die Kanzlei kam, war bereits ihr Kompagnon da, der in ein Gespräch mit ihrer gemeinsamen Sekretärin vertieft war, die beide mehr als nur die Arbeit verband, obwohl er seit
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