Texas
Spanier ein potentielles Schlachtfeld; im Westen standen Apachen zum Angriff bereit, und im Norden lauerten die Franzosen. Das Terrain war für Reitergefechte bestens geeignet: große Flächen wogenden Graslandes, nur da und dort ein paar Mesquitsträucher.
Nach acht Tagen, in deren Verlauf sie den Rio Nueces und den Rio Medina überquerten, betraten die Spanier Tejas, wo sich ihnen ein wunderbarer Anblick bot: Ein kleiner Fluß, an dessen jenseitigem Ufer Franziskaner zwei Missionen errichtet hatten, während auf dem diesseitigen ein massives Presidio die Soldaten beherbergte, die dieses Gebiet zu sichern hatten. In der Nähe der Kaserne standen zwei Adobehäuser. Dort lebten vier Mestizofamilien, die das fruchtbare Land entlang des Flusses bestellten.
Es war eine winzige Siedlung: in jeder Mission zwei Fratres, drei Soldaten und einundfünfzig Indianer, von denen zwei konvertiert waren; im Presidio ein Hauptmann, ein Sergeant und zweiundfünfzig Soldaten; in den zwei Adobehäusern sieben Erwachsene und drei Kinder.
San Antonio de Valero wäre ein guter Name für diese Siedlung gewesen, deren Gründung der Vizekönig angeordnet hatte, aber irgendein Wichtigtuer hatte sich daran erinnert, daß der Marques de Valero einen berühmten Halbbruder hatte, den Herzog von Béjar, der im Kampf gegen die ungläubigen Türken bei der Verteidigung des christlichen Budapest sein Leben gelassen hatte. Dieser Wichtigtuer dachte nun, daß es den Vizekönig freuen würde, wenn man die neue Siedlung nach dem Helden benannte, und so hieß sie nun San Antonio de Béjar. Da aber die spanische Sprache großzügig im Austausch von j und x umging - ein Beispiel ist »Tejas« und »Texas« -, wurde daraus bald San Antonio de Bexar; die Bewohner hatten es bald zu »Bexar« abgekürzt.
Fray Damián gefiel Bexar von Anfang an. »Hier würde ich gerne arbeiten!« Er fragte den Obersten: »Könnte ich nicht weiter oben im Norden meine Mission einrichten, wo ich diesen Missionen hier nicht ins Gehege kommen würde?« Aber der alte Soldat hatte seine Befehle: »Unsere Aufgabe ist es, die eigentliche Grenze zu inspizieren, das Gebiet der Mission von Nacogdoches.« So begannen sie den langen Marsch zum öden nördlichen Teil von Tejas.
»Der Weg von Bexar nach Los Adaes«, erklärte ein Soldat, der in den Söldnerheeren Europas gekämpft hatte, »ist so lang wie der Weg von Paris aus nach Norden, quer durch Flandern, die Niederlande und tief nach Deutschland hinein. Tejas ist groß!«
Während sie ihre nordöstliche Richtung beibehielten, fielen den beiden Brüdern radikale Veränderungen im Landschaftsbild auf. Nach dem Grasland mit den Mesquitsträuchern erreichten sie hügeliges Gelände mit vielen Bäumen, und dann eine ganz andere Gegend, ebenfalls baumbewachsen, aber fruchtbares Prärieland. Dann durchzogen sie schöne Waldungen mit vielversprechendem Boden. »Hier könnte man die Bäume fällen und sich eine Farm aufbauen, die ein ganzes Dorf ernähren würde.«
Während sie dieses herrliche, unberührte Gebiet durchzogen, dachte Damián über etwas nach, das ihm merkwürdig vorkam: »Warum liegt die Hauptstadt von Tejas bloß so weit im Norden, an der Grenze zu Louisiana?«
Alvaro hatte eine überzeugende Erklärung dafür: »Die Franzosen kontrollieren Louisiana, das nur wenige Meilen östlich liegt. Unser Vater hat dreimal gegen sie gekämpft, und obwohl wir jetzt eine Art Frieden haben - möchtest du Wetten darüber abschließen, wie es nächstes Jahr aussehen wird? Madrid ist schlau: >Die Hauptstadt an die Grenze, von wo aus man diese verdammten Franzosen im Auge behalten kann.<«
Ende Januar erreichten sie das Westufer des Rio Neches. In dieser Nacht brach ein verheerender Wintersturm los, und am Morgen war aus dem Neches ein reißender Strom geworden, der sieben Tage lang tobte. Nachdem es ihnen endlich gelungen war, den angeschwollenen Fluß zu überqueren, lagen vor ihnen die hundertfünfzig Kilometer nach Los Adaes, die zu den trostlosesten gehörten, die Alvaro je zurückgelegt hatte, denn nun verließ die Expedition die Einflußsphäre von Tejas und drang in eine Welt ein, in der Spanien keine wichtige Rolle spielte.
Die neue Hauptstadt war ein klägliches Gebilde: ein paar Holzhäuser am äußersten Ende des Transportweges, über den Madrid nur selten etwas Brauchbares schickte. Der Hauptmann, der hier als Gouverneur fungierte, war kränklich; die Sümpfe hatten seine Gesundheit ruiniert, er mußte ständig husten.
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