Texas
alles Nötige unternommen, um aus Alvaro einen Offizier zu machen, und seine Beziehungen spielen lassen, um zu erreichen, daß sein Sohn nach Mexico geschickt wurde, wo dessen Bruder Damián auf ihn aufpassen konnte. Alvaro war sechsundzwanzig, ledig, von brennendem Ehrgeiz besessen und der Überbringer eines Empfehlungsschreibens, gerichtet an einen früheren Kommandanten seines Vaters: den Vizekönig, den Marques de Valero.
In diesem Brief bat Alvaros Vater den Vizekönig, seinen siebten Sohn Alvaro in der Region dienen zu lassen, in der sein fünfter Sohn Damián lebte. Nachdenklich betrachtete Vizekönig Valero das Schreiben; er hatte oft mit den Saldañas gejagt; er kannte die ruhmreiche Geschichte der Familie; und ihm war zu Ohren gekommen, daß sich einer der Söhne in Zacatecas als Franziskaner gut führte. Aber er hatte sich um ein ganzes Land zu kümmern. Er schritt zu einer großen Landkarte. Sie zeigte die Straßen Mexicos, von denen die weitverstreuten Teile zusammengehalten wurden, Los Caminos Reales, das Königliche Straßennetz. Valero studierte den entscheidenden Abschnitt, der von Vera Cruz nach MexicoStadt, San Luis Potosí und Saltillo bis zur Furt durch den Rio Grande bei San Juan Bautista führte; von dort ging es geradeaus durch Tejas bis zu einem winzigen Fleck im äußersten Nordosten, Los Adaes, die zukünftige Hauptstadt der Region. Hinter Saltillo konnte man aber eigentlich nicht mehr von einer Straße sprechen; es war nur ein schlechter Karrenweg, der durch leeres Land führte.
»Ich werde den jungen Saldaña an die Nordgrenze hinaufschicken«, beschloß Valero. Als der ehrgeizige junge Offizier vor ihn gebracht wurde, sprach er ihn freundlich an: »Euer Vater, der tapfer unter meinem Kommando gekämpft hat, fragt mich, ob es möglich wäre, daß Ihr Euren Dienst in der Nähe Eures Bruders verrichtet. Ich erfülle seinen Wunsch. Ihr werdet Euren Bruder in Zacatecas wiedersehen.«
Alvaro war bestürzt, als er sah, wieviel älter und hagerer sein Bruder geworden war. Aber im Verlauf ihres ersten Gespräches fand er Damián energisch wie eh und je. Offenbar hatte sich in ihm der Glaube an seine religiöse Berufung vertieft, denn er sprach jetzt mit einer feierlichen Würde, die Alvaro an seinem Bruder früher nicht gekannt hatte. Am nächsten Morgen ließ der Oberst Alvaro kommen. »Der Postsack, den Ihr mir mitgebracht habt, enthält auch einen Befehl des Vizekönigs, wonach Ihr und Euer Bruder mich auf einer Inspektionsreise begleiten sollt. Ganz Tejas bis Los Adaes hinauf.«
»Oh, wie schön!« Die Begeisterung des jungen Mannes gefiel dem Obersten so gut, daß er ihn zum Abendessen einlud. Alvaro saß der reizenden Tochter Anselmo Lináns gegenüber, der ein Freund des Obersten war.
Die Brüder Saldaña waren ein seltsames Paar. Damián in seinem dunklen Habit, Alvaro in seiner glänzenden Uniform, der eine mager und schwermütig, der andere robust und immer lächelnd. Damián sprach wenig und wirkte nervös. Alvaro plauderte gewandt und selbstsicher. Während er immer neue
Geschichten erzählte, bemerkte Damián, daß Benita, die seinem Bruder genau gegenübersaß, diesem mit unverhohlenem Interesse zuhörte und ihn immer, wenn er zu Ende zu kommen schien, mit Fragen ermutigte, weiterzuerzählen.
Nach dem Essen kam sie keck auf Fray Damián zu und sagte, so daß sein Bruder es hören konnte: »Ihr müßt stolz sein, Alvaro in Eurer Familie zu haben. Wir sind jedenfalls stolz, ihn als Gast zu haben.« Alvaro, der den Wink verstanden hatte, unterbrach sie: »Wollt Ihr morgen mit mir ausreiten?« Benita antwortete züchtig: »Nein, das geht nicht. Meine Dueña kann nicht reiten.«
»Linán«, fragte der Oberst, der das Gespräch mit angehört hatte, »wäre es möglich, daß ich diese jungen Leute auf einen Reitausflug mitnehme?«
»Benita darf mitkommen«, gab Linán, der das Gespräch mitgehört hatte, seine Zustimmung.
Niemand dachte daran, Fray Damián einzuladen. Natürlich war ihm klar, daß Benita mit jedem Tag dem Alter näher kam, in dem sie heiraten mußte. Da sie ihn nun einmal nicht heiraten konnte, befriedigte ihn der Gedanke, daß sie sich vielleicht für seinen Bruder entschied. Dann würde sie in seiner Nähe bleiben, würde ein Teil seines Lebens sein - wie kompliziert diese Beziehung auch sein mochte.
In den Tagen bevor die Expedition aufbrach, kamen Alvaro und Benita - stets unter Aufsicht - häufig zusammen. Oft war Damián dabei und überwachte sie.
Am
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