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Texas

Texas

Titel: Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Baustellen; eine wohlhabende Frau verschaffte ihm illegal einen Führerschein, so daß er sie herumfahren konnte; er machte nach Mitternacht in Läden sauber, und gelegentlich spielte er bei jungen Paaren Babysitter.
    1968 gehörte Múzquiz bereits zum Inventar der Entkernungsanlage und beaufsichtigte die Maschinen. Als der Dezember nahte, wurde er beim Besitzer der Fabrik vorstellig. Er hatte noch keine sechs Worte gesprochen, da brach er in Tränen aus. Als ihn der Besitzer auf spanisch fragte, was denn los sei, überreichte ihm Eloy einen Brief seines ältesten Sohnes: Señora Múzquiz, Eloys Frau, die die Kinder ohne Hilfe ihres Mannes großgezogen hatte, war gestorben, und die drei Kinder hatten jetzt keine Mutter mehr.
    »Mein lieber, guter Freund, das ist eine Tragödie. Ich fühle mit dir.«
    »Wenn ich meine Kinder nach Norden mitnehme, Señor, können Sie Ihnen dann Arbeit verschaffen?«
    »Jeder Rancher in Texas nimmt einen Mann wie Sie. Wenn es brave Kinder sind.«
    »Sie sind sehr brav. Darauf hat ihre Mutter geachtet.«
    Plötzlich schnüffelte auch der Besitzer. »Wir werden einen Arbeitsplatz finden. Hier hast du Geld für die Reise.«
    Als Eloy in El Paso aus dem Bus stieg, wartete Ben Talbot bereits auf ihn, und Eloy nahm an, daß man ihn jetzt verhaften würde. Der hochgewachsene Beamte ergriff ihn am Arm, führte ihn in eine Bar und bestellte zwei Flaschen Cola: »Eloy, der Chef hat mir die Hölle heiß gemacht. Er behauptet, daß ich dich ins Land rein- und wieder rauslasse. Er will, daß ich dich festnehme.«
    »General Talbot« - Múzquiz nannte jeden Beamten General -, »Sie dürfen mich nicht verhaften. Meine Frau ist gestorben.«
    Nachdem Talbot den schweißfleckigen Brief gelesen hatte, schneuzte er sich und warnte Eloy: »Geh nach Zacatecas zurück und kümmere dich um deine Kinder. Und komm nie mehr hierher. Wenn ich dich noch einmal erwische, landest du im Gefängnis.«
    »Aber ich muß zurückkommen, General Talbot. Und ich muß meine Kinder mitnehmen.«
    »Verdammt, Eloy, du kannst dich doch nicht mit drei Kindern an uns vorbeischleichen!«
    »Wir müssen zurückkommen, General Talbot. Wir werden gebraucht.«
    Das war der immer wiederkehrende Satz, der das Problem der Grenzgänger ins richtige Licht rückte. Bei den Mexikanern, die in so großer Zahl ins Land strömten, handelte es sich größtenteils um Analphabeten, die keinen Wert darauf legten, sich zu amerikanisieren, wie es die Einwanderer aus Europa zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts getan hatten; statt dessen hielten sie an der spanischen Sprache und den mexikanischen Bräuchen fest; aber sie wurden gebraucht. Sie wurden von Ranchern gebraucht, die keine Cowboys, und von jungen Müttern, die keine Hilfskräfte fanden. Sie wurden in Restaurants, Hotels und Geschäften gebraucht und in beinahe jedem Dienstleistungsbetrieb von Texas. All dies lockte sie zu Millionen über die Grenze.
    Der Grenzpatrouillenofficer Talbot trug, wenn er dienstfrei war, jetzt Cowboystiefel, einen breitkrempigen Hut und einen
    Kordelschlips und erinnerte sich kaum noch an die Zeit, als er in Vermont gelebt hatte. Als der 12. Februar 1969 näherrückte, fiel ihm ein, daß sein alter Freund, der zähe Eloy Múzquiz, demnächst in Ciudad Juárez auftauchen und mit drei Kindern im Schlepptau versuchen würde, ins Paradies zu gelangen. Er rief einen mexikanischen Beamten in Juárez an, zu dem er gute Beziehungen unterhielt, und fragte: »Sehen Sie einen etwa vierzigjährigen Mann mit drei Kindern, der Lebensmittel für den Grenzübertritt einkauft?«
    Nach einer Weile rief der Mexikaner zurück: »Ja. Er kauft Sardinen, Bohnen in Dosen, Dosen mit Fruchtsaft und einen großen Beutel mit Pinole.«
    »Verständigen Sie mich, sobald er die Grenze überquert.«
    Gegen dreizehn Uhr führte Eloy seine drei Kinder über den ausgetrockneten Fluß und nach Osten zum Güterbahnhof. Talbot beobachtete sie aus einiger Entfernung durch einen Feldstecher und sah, daß der Vater seinen Kindern erklärte, wie sie dem fahrenden Zug nachlaufen und auf ihn aufspringen mußten. Er sah, wie die Lokomotive Dampf aufmachte, wie die Illegalen sich verstohlen näher an die noch stillstehenden Güterwagen heranpirschten, und spürte wachsende Spannung. Dann bemerkte er zu seiner Verzweiflung - beinahe zu seinem Entsetzen -, daß sein Kollege Dan Carlisle Floyd und dessen Kinder entdeckt hatte und sich so postierte, daß er sie innerhalb der nächsten paar Minuten festnehmen

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