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Texas

Texas

Titel: Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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daß er ihm nie in die Falle ging. Tal bot mußte oft angewidert zusehen, wie der abgefeimte Kerl frech mit der Entbindungstour nach El Paso kam, ein schwangeres Bauernmädchen in das Thomason General Hospital brachte und sich für den Dienst bezahlen ließ. Da El Lobo mit solchen Aktionen gegen kein Gesetz verstieß und da man ihm die Todesfälle in seiner Akte nicht nachweisen konnte, kam er ungestraft davon.
    Auf der öden, sandigen Ebene von Nordmexiko, auf halbem Weg zwischen Chihuahua und Ciudad Juárez, lag das Lehmziegeldorf Moctezuma: sieben kleine Hütten, von denen eine einen Straßenladen enthielt, in dem man amerikanischen Autofahrern kalte Getränke verkaufte. Das Geschäft wurde von den Guzmáns geführt, einer Witwe mit zwei Töchtern und einem Sohn.
    Die ältere Tochter war mit dem Mann verheiratet, der die nahegelegene Pemex-Tankstelle betrieb. Zu ihren Pflichten gehörte es, die Windschutzscheibe jedes Autos zu waschen, das bei der Tankstelle hielt, und beim staatlichen Benzinmonopol Nachschub zu bestellen.
    Der ständige Strom von großen Wagen, die nach Süden unterwegs waren, führte in dem kleinen Dorf zu Unzufriedenheit, denn wenn jemand anhielt, um zu tanken oder ein kaltes Getränk zu kaufen, sahen die Mexikaner, wie wohlhabend der Fremde war.
    Eufemia, die junge Frau, die die reichen Reisenden bediente, hatte oft über ihre Armut nachgedacht, und als sie schwanger wurde, beschäftigte dieses Thema sie noch mehr. Ihr Zustand führte zu langen Diskussionen unter den Einwohnern von Moctezuma, denn was eine junge Frau tat, wenn sie ein Kind erwartete, war von großer Bedeutung. Eine der älteren Frauen ermahnte Eufemias Mutter, Encarnación: »Es geht um Leben und Tod. Du mußt sie nach El Paso bringen. Zuerst muß sie nach Juárez, und dort mußt du dich mit meinem Vetter in Verbindung setzen. Er heißt El Lobo und lebt davon, daß er Menschen in die Staaten schmuggelt.«
    Schon viele andere schwangere Frauen aus weit von der Hauptstraße entfernten Dörfern hatten es irgendwie bis Juárez geschafft, waren über den Fluß und ins Krankenhaus gelangt, hatten dort ihre Kinder geboren und waren mit dem kostbaren Stück Papier heimgekehrt, das wertvoller war als Gold und in dem bestätigt wurde, daß das Kind auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten zur Welt gekommen war.
    Solange dieses Kind lebte, garantierte das Papier, daß es in die Staaten einreisen, die amerikanische Staatsbürgerschaft annehmen, kostenlos die Schule besuchen und sich ein ordentliches Leben aufbauen konnte. Ohne dieses Dokument erwartete es in Nordmexiko mit Sicherheit ein Leben in endloser Armut. Deshalb waren Krauen wie Eufemia bereit, jede Mühsal auf sich zu nehmen, um ihren ungeborenen Kindern zu einem guten Start ins Leben zu verhelfen.
    Doch diese Vorteile waren nicht allein dafür ausschlaggebend, daß so viele Bürger von Moctezuma bestrebt waren, in die Staaten zu gelangen. Nichts unterschied den Landstrich, in dem sie wohnten, von New Mexico oder Arizona. Aber in Mexiko hatte man keinerlei Anstrengungen unternommen, den unbestrittenermaßen vorhandenen Reichtum an Landbesitz, der in Nord- und Südamerika nicht seinesgleichen hatte, gerecht zu verteilen. Die Reichen wurden ungeheuer reich; die große Masse des Volkes mühte sich, manchmal am Rand des Existenzminimums, weiterhin ab.
    Die Guzmáns arbeiteten folgenden Plan aus: Burder Cándido, ein aufgeweckter Siebzehnjähriger, sollte seine Schwester Eufemia nach Juárez bringen und sich dort mit El Lobo in Verbindung setzen. Gegen Entrichtung einer geringen Gebühr würde man Eufemia zwei oder drei Tage vor dem errechneten Geburtstermin über die Brücke schaffen. Dann würde man sie in einem Haus unterbringen, das El Lobos Freunden gehörte, und an dem Tag, an dem die Wehen einsetzten, in ein Haus in der Nähe des Krankenhauses verlegen. Im richtigen Augenblick würde man sie dann als Notfall-Patientin ins Krankenhaus einliefern, wo sie dann hoffentlich einen Sohn zur Welt brachte. El Lobos Freunde würden ihr zeigen, wie sie zu einer Geburtsurkunde gelangen konnte, und drei oder vier Fotokopien anfertigen lassen. Danach würde sie über die Brücke zu ihrem Bruder und nach Moctezuma zurückkehren -und achtzehn Jahre später würde sie sich von ihrem Sohn verabschieden, wenn er in die Staaten auswanderte. Sobald der junge Mann seine amerikanische Staatsbürgerschaft nachgewiesen hatte, konnte er im Rahmen des »Härtefallgesetzes« seine gesamte Familie aus

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