Texas
würden. Das war der Zug, auf den er in wenigen Stunden aufspringen würde.
An diesem Februarnachmittag beobachtete Eloy Muzquiz mit angespannter Konzentration, wie der Güterzug zusammengestellt wurde. Solange der Zug stand, wagten die Einwanderer nicht, auf ihn aufzuspringen, weil die Grenzpatrouille sie dann wieder heruntergeholt hätte, aber sobald sich die Güterwagen in Bewegung setzten, kam es zu einem allgemeinen Ansturm, bei dem so viele Mexikaner dem Zug nachrannten, daß die Patrouille keine Möglichkeit hatte, alle zu schnappen. Als der Zug ruckartig anfuhr, stürzten Eloy und etwa siebzig weitere Männer zu den Güterwagen. Múzquiz, der den anderen voraus war, hatte die Waggons beinahe erreicht, als die große, hagere Gestalt von Ben Talbot aus einem Versteck herauskam und ihn sowie zwei weitere Illegale abfing.
Bei dem El-Paso-Spiel wurden zwei Regeln strikt eingehalten: Es war allgemein bekannt, daß die
amerikanischen Beamten ihre Gefangenen nicht brutal behandelten, und es war selbstverständlich, daß kein mexikanischer Flüchtling einen Einwanderungsbeamten angriff oder gar auf ihn schoß. Als Talbot jetzt die drei Mexikaner festhielt, benahmen sie sich, als hätten sie lustig Fangen gespielt. Sie hörten auf zu laufen, Talbot sagte »Okay, compadres«, und Eloy marschierte friedlich in die Gefangenschaft.
Er wurde zu einer Grenzstation gebracht, zum achten Mal registriert und wieder nach Ciudad Juárez abgeschoben, wo er unverdrossen zum Fluß ging, an einer Stelle hinüberkroch, die gerade niemand überwachte, sich zum Güterbahnhof durcharbeitete und den nächsten Zug aufs Korn nahm, der aus über hundertfünfzig Güterwaggons bestand. Er hatte sein Bündel fest auf den Rücken gebunden, rannte wie immer geschickt über die Gleise, berechnete den Sprung richtig und schaffte es in einen Güterwaggon.
Die Grenzpatrouille in El Paso hatte immer angenommen, daß Múzquiz bis San Antonio im Zug blieb und dann in der Großstadt untertauchte, in der spanischsprechende Bürger zum Alltag gehörten. Talbot hatte in der Stadt Nachforschungen angestellt und die Einwanderungsbehörde gebeten, nach Eloy
Ausschau zu halten, aber Muzquiz war zu klug, um sich so zu verhalten, wie man es von ihm erwartete.
Als der Güterzug vierhundert Kilometer weiter östlich in Fort Stockton hielt, um Wasser nachzufüllen, blieb Eloy zwanzig Minuten lang in seinem Versteck, weil er wußte, daß sich La Migra - die Einwanderungsbehörde - auf die Männer stürzte, die sofort absprangen. Sobald das geschah, beobachtete er die fieberhafte Jagd durch ein Guckloch, verließ den Güterwaggon unauffällig und schlenderte über den Bahnhof zu einem verrosteten Ford-Lieferwagen, der dort seit Jahren an einer einsamen Straße stand. Er öffnete die knarrende Tür vorsichtig, damit sie nicht aus den Angeln fiel, kroch hinein, zog die Tür zu und schlief ein. Er tat das nun zum vierten Mal in vier Jahren.
In der Abenddämmerung, als der Zug längst wieder unterwegs war, begann Eloy, die vertraute Straße nach Monahans, Odessa, Midland und Lubbock entlangzugehen. Er legte einen Großteil der dreihundertfünfzig Kilometer zu Fuß zurück, ließ sich ein paarmal von einem Autofahrer mitnehmen, lehnte Stellenangebote von zwei Ranchern ab und bezahlte die Fahrt im Autobus, der ihn von Midland nach Lubbock brachte, mit amerikanischen Dollars.
Als er sich Lubbock, das auf einer vollkommen flachen Ebene liegt, näherte, wurde sein Herz weit, denn jetzt befand er sich in einem Gebiet, das er kannte und liebte. Er nickte mehreren Bekannten im Busbahnhof zu, versicherte ihnen, daß er im Sommer wieder ihren Rasen mähen werde, ging jedoch auf dem Highway 114 nach Westen. Bald darauf brachte ihn ein Rancher, der ihn erkannt hatte, nach Levelland, wo sich Muzquiz mit seinem gewohnten breiten Lächeln von ihm verabschiedete und zu »seiner« Baumwolle-Entkernungsanlage marschierte. Er meldete sich beim Vorarbeiter der Fabrik, die gerade nicht in Betrieb war: »Ich bin wieder da.« »Wo wirst du arbeiten, bis die Produktion bei uns anläuft?«
»Bei Mr. Hockaday. Ich habe ihn getroffen.«
»Okay. Aber komm am 1. August, dann brauchen wir dich.«
»Ja, gut.«
In diesem Jahr hatte er vierzehn verschiedene Posten. Jeder, der ihn traf, wollte ihn anstellen, denn er war in der Gemeinde als verläßlich, sympathisch und als Vater von drei Kindern unten in Zacatecas bekannt, denen er neun Zehntel seines Lohnes schickte. Er arbeitete auf
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