Texas
ehrenwerte Herr ließ es bis zum 15. Juli bei den Akten und sandte es dann nach Vera Cruz, nachdem er seinerseits einen Vermerk angefügt hatte: »Fray Damián de Saldaña ist der Sohn von Don Miguel de Saldaña aus Saldaña, ein Mann, der unser Vertrauen verdient.«
Ein spanischer Frachter verließ Vera Cruz Ende Juli, lief sowohl Cuba als auch Española an, wo er auf zwei Monate ins Dock mußte, und legte erst am 3. Oktober nach Spanien ab. In jenen zwei Häfen war es keinem Beamten gestattet, den Postsack aus Mexico anzufassen, und so kam es, daß Damiáns Brief erst nach einer vierwöchigen Überfahrt in Sanlúcar angeliefert wurde. Von dort ging das Gesuch zum Indienrat, der gerade in Sevilla tagte. Drei Wochen lang studierten die Beamten die ungewöhnliche Eingabe. Schließlich wurde entschieden, was schon von Anfang an hätte klar sein müssen: daß es sich hier um ein Problem handle, das nur vom König gelöst werden könne. Ein Berittener brachte das Schreiben nach Madrid. Dort kam es am 29. November an. Am frühen Morgen des folgenden Tages sah der König von Spanien aufmerksam die offiziellen Botschaften aus seinen Herrschaftsgebieten in der Neuen Welt durch und machte
Anmerkungen. Am Nachmittag kam er zu Fray Damiáns Gesuch: »Ein blaues Meßgewand für die Sonntage und drei eiserne Schaufeln!«
Der König - der siebzehnjährige Philipp V. - versuchte sich Mexico vorzustellen, seit zwei Jahrhunderten ein Teil des Reiches. Zwar hatte kein Angehöriger seiner königlichen Familie dieses Land je besucht, doch man hatte ihm Zeichnungen und Bücher vorgelegt, so daß er wußte, wie es dort aussah. Als er jedoch versuchte, sich eine Vorstellung von Tejas zu machen, gelang ihm das nicht.
»Wie viele Spanier leben denn überhaupt in Tejas?« fragte er einen seiner Berater.
»In Spanien geborene sechzehn, vielleicht zwanzig. In Mexico geborene vielleicht zweihundert, einschließlich Mestizen. Und natürlich Indianer.«
Der König deutete auf Fray Damiáns Gesuch. »Wer ist dieser Mann?«
Der Berater studierte das Gesuch und insbesondere den Vermerk des Vizekönigs. »Er ist der Sohn eines Mannes, der Euch unterstützte, als die Europäer einen anderen auf unseren Thron setzen wollten.«
Sofort ergriff der König die Petition, unterzeichnete sie und ergänzte sie mit einer Anmerkung. Dann wurde das Dokument an den Indienrat geschickt und begann von dort seinen langen Weg zurück nach Sanlúcar, nach Cuba, nach Mexico-Stadt, nach Saltillo, nach San Juan Bautista und schließlich zur Mission Santa Teresa. Dort traf es am 19. Juli 1928 ein, achtzehn Monate nachdem es abgeschickt worden war, und mit ihm kam ein großes Paket.
Als Fray Damián und Garza die von der Reise stark verschmutzte Lattenkiste aufgebrochen hatten, kamen drei Schaufeln mit Stielen aus spanischer Eiche, dem besten Holz der Welt, zum Vorschein.
»Seht doch!« rief Fray Domingo. Aus einem kleinen Packen lugte ein Stück blauen Fuchs heraus. Mit zitternden Fingern hob Domingo ein wunderschönes Habit mit Kapuze und Gürtel hoch. Sofort warf er sich das kostbare Gewand um die Schultern. Zufällig warf er noch einen Blick auf die Kiste und sah, daß unter dem ersten Gewand noch ein zweites lag: ein größeres, aus noch feinerer Wolle.
»Das muß für Euch sein«, sagte er. Aber Fray Damián nahm die erste Kutte von Fray Domingos Schultern. »Diese da reicht mir.«
Der südwestlich der Mission gelegene Rancho Santa Teresa hatte unmöglich zu bestimmende Ausmaße. Keine Straßen führten zu ihm, und keine Zäune grenzten ihn ein. Es gab einen primitiven Corral, aber weder Ställe noch Scheunen auf der endlosen Fläche von Grasland, bestens geeignet für das Weiden unbehüteten Viehs. Das eigentliche Areal war etwa zweitausend Hektar groß, aber das hatte nichts zu bedeuten, denn solange kein anderer Grundbesitzer in der Gegend angrenzendes Land erwarb, konnten es genausogut zwanzigtausend Hektar sein.
Der Rancho lag in einer scharfen Biegung des Rio Medina; diesem Umstand verdankte er auch seinen Namen, Rancho El Codo - Ellbogenranch. Auf dem Gelände standen vier Hütten, in denen vier indianische Familien wohnten, die das Vieh hüteten. Wenn Fray Domingo sah, wie die sechs erwachsenen Indianer für ihn schufteten, fragte er sich immer wieder, warum sie die harte Arbeit wohl so bereitwillig auf sich nahmen; denn weder er nach Fray Damián hatten die Macht, sie dazu zu zwingen.
Aber mit ihm und Damián stand es eigentlich nicht viel anders
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