Texas
Clooney trat an den Baum, von dem schon der Strick herabhing: »Trotz deines sündigen Lebens wird Jesus Christus vor Gottes Thron für dich Fürsprache einlegen, mein Sohn. Dann ist deine unsterbliche Seele gerettet, und du wirst in Frieden und in ewiger Liebe zu Jesus Christus sterben.«
Vier starke Männer zogen den Strick hoch. Als Black Abes Beine aufhörten zu zucken, sagte Vater Clooney: »Ich erkläre ihn für tot. Begrabt ihn, Seite an Seite mit ihr!«
An diesem Abend entdeckten die Quimpers, daß der Priester bei einer Nervenbelastung wie etwa der Hinrichtung eines Verbrechers zum Alkohol griff. Anfangs nahm er nur ein paar kleine Schlückchen, aber bald ging er zu großen Schlucken über, bis er sich zum Schluß auf dem Boden ausstreckte und einschlief.
Bei Tagesanbruch ließen sie sich auf einer Fähre über den schlammigen Sabine staken. Als sie das glitschige Westufer betraten, prasselte ein wolkenbruchartiger Regen auf sie nieder. Aber Vater Clooney ließ sich von dem Unwetter nicht stören. Seine kleine Herde anführend, als ob es tausend fromme, seiner Kirche von ganzem Herzen ergebene Seelen wären, forderte er sie auf, niederzuknien, und während nun das Wasser über ihre Gesichter lief, feierten die Quimpers ihren Einzug in Texas. Jubal erhob sich und verkündete: »Gott hat uns über den Strip gebracht. Jetzt treten wir unser Erbe an!«
Die kleine Gruppe zog weiter nach Westen, zu der neuen, für amerikanische Siedler vorgesehenen Kolonie Stephen Austin. Quimper war sehr froh, Vater Clooney zum Jagdgefährten zu haben. Der Priester war ein unersättlicher Esser, fast ein Vielfraß, und also lebhaft daran interessiert, mit einer gewissen Regelmäßigkeit ein Reh oder einen Bären zu erlegen; auch verstand er sich vortrefflich aufs Schlachten. Mattie war ihm für seine Hilfe bei der Arbeit dankbar. Er war immer der erste, der sich freiwillig meldete, wenn es etwas zu tun gab, ganz im Gegensatz zu Jubal und Yancey, die sich nur sehen ließen, wenn es ums Jagen oder ums Essen ging. Sie mußte Feuer machen und kochen, die Kugeln gießen, die Kleidung ausbessern und bis auf die Gewehre so gut wie alles schleppen. Sie begann direkt Gefallen an dem hilfsbereiten Priester zu finden, aber ihr strenger Protestantismus hinderte sie daran, es zu zeigen.
Nach etwa fünfzig Kilometern in Texas erreichten die vier Einwanderer die erste Siedlung, eine lose Ansammlung von Häusern mit dem Namen Ayish Bayou. Die Bürger dieses Ortes freuten sich sehr, als sie erfuhren, daß Vater Clooney ein ordinierter Priester war, denn sie hatten schon seit Jahren keinen Kirchenmann mehr gesehen. Und schon am ersten Morgen trat eine aus Kentucky stammende Familie mit einem Problem besonderer Art an ihn heran. Ihre im siebten Monat schwangere Tochter und deren junger Mann waren zwei Jahre zuvor schriftlich eine feierliche Verpflichtung eingegangen, die sie nun dem Priester vorlegten. Clooney wußte, daß es diese Vereinbarungen gab, war auch instruiert worden, wie er sich in solchen Fällen verhalten sollte. Er prüfte den Inhalt des Dokuments mit größter Sorgfalt. Der Text lautete:
»Hiermit wird kundgetan, daß die Jungfrau Rachel King und der Junggeselle Harry Burdine mit Wissen der ganzen Gemeinde beschlossen haben, als Mann und Frau zusammenzuleben. Die Eheschließung erfolgt ohne Bestätigung durch einen Priester, da es in unserer Gegend keinen gibt. In den Augen Gottes sind sie verheiratet, erklären jedoch feierlich, daß sie sich nach dem Gesetz trauen lassen werden, sobald ein Priester in unseren Ort kommt.«
»Dies ist ein kostbares Dokument«, sagte Vater Clooney, während er es ihnen zurückgab. »Wenn die anderen einen Kreis um uns bilden wollen, werden wir Gottes Segen auf diese Ehe herabflehen.« So bildeten die Quimpers und alle anwesenden Einwohner des Ortes einen Kreis um das junge Paar, und mit einfachen Worten vollzog der Priester die Trauung und spendete den Jungvermählten seinen Segen. Dann erbat sich Vater Clooney noch einmal das Dokument und kritzelte eine Anmerkung darauf: »Rachel und Harry wurden geziemend und ordnungsgemäß am 10. Januar 1823 in Ayish
Bayou, Provincia de Tejas, getraut. Vater Francis X. Clooney, Priester der mexikanischen Regierung.«
Die Bewohner von Ayish Bayou gaben den Neuankömmlingen viele gute Ratschläge: »Seht zu, daß ihr alle eure Papiere in Ordnung habt, wenn ihr nach Nacogdoches kommt. Sie auch, Vater. Denn in Nacogdoches nehmen sie alles sehr genau.«
Ein
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