Thanatos
Pestilence unschädlich zu machen, würde er eine ständige Gefahr für Thans Sohn darstellen. Damit hatte Regan recht, selbst wenn er es zu jenem Zeitpunkt nicht hatte zugeben wollen.
Er zog Regan noch näher an sich heran, damit er den Arm um sie und seinen Sohn legen konnte, fassungslos angesichts der Intensität der Gefühle, die er schon jetzt für sein Kind hegte. Er hatte sich immer Kinder gewünscht, hatte die Liebe weitergeben wollen, mit der seine Eltern – die Menschen, die ihn aufgezogen hatten – ihn überschüttet hatten. Die Art Liebe, die er weder von seiner Dämonenmutter noch von dem Engel erhalten hatte, die ihn gezeugt hatten.
Wenn er ein Kind zeugen und aufziehen konnte, das anständig war und nicht nur Schmerz und Leid verursachte, so wie Thanatos selbst es tat, dann würde sein Leben vielleicht doch noch einen Sinn ergeben, eine Bedeutung haben. Und vielleicht, nur vielleicht, würde ihm ein Kind etwas geben, um das es sich zu kämpfen lohnte. Er war der menschlichen Welt gegenüber so empfindungslos geworden – aber dieses Baby war jetzt schon ein heller Fleck in seinem neblig grauen Dasein.
Welche Farbe seine Augen wohl haben würden? Ob sein Haar so fein und seidig wie Regans oder eher dicht wie Thans sein würde? Würde er Regans rundliche Wangen oder seine hohen scharfen Wangenknochen erben? Nicht, dass irgendetwas davon eine Rolle spielte. Das Kind würde perfekt sein, ganz gleich, wem es glich.
Es wurde an die Tür geklopft; gleich darauf trat Victor mit zwei weiteren warmen Decken ein, mit denen Than die anderen ersetzte. Regans Haut fühlte sich allmählich weniger eisig an, aber sie regte sich immer noch nicht.
»Komm schon, Regan«, sagte er in ihr Haar hinein. »Zeig mir etwas von dem Feuer in dir. Zeig mir, aus welchem Stoff du gemacht bist. Ich werde dich nicht sterben lassen. Niemand außer mir darf dich töten.« Letzteres war ein Witz, aber es war nicht besonders komisch – oder doch? Noch vor ein paar Stunden war er drauf und dran gewesen, sie umzubringen, und wenn er das getan hätte, wenn er nicht wieder aus seiner Todeswut herausgefunden hätte …
Scheiße. Er hätte den größten Fehler seines Lebens begehen können.
Dies rief ihm ins Gedächtnis zurück, dass er sich noch sehr viel mehr Mühe geben müsste, sein Temperament zu zügeln. Er würde Ares beweisen, dass er keine Gefahr für sein eigenes Kind darstellte. Er würde niemals eine Gefahr für die sein, die ihm nahestanden.
Der Skorpion an seinem Hals stach ihn, wie um ihm zu widersprechen.
Du hast den Mann getötet, der dich als seinen Sohn aufgezogen hatte. Du hast Freunde ermordet. Du hast heute erst einen Diener abgeschlachtet, als es dir nicht gelang, deinen Drang zu töten durch Selbstbefriedigung zu dämpfen. Du bringst jeden um.
Du bist Death. Der Tod in Person.
»Habt ihr schon einen Ort für das neue Hauptquartier gefunden?« Kynan sprach über eine Telekonferenz-App auf seinem iPhone mit Valeriu.
Jetzt, nachdem ihr Aufenthaltsort nicht länger geheim war, war ein möglichst rascher Umzug zur obersten Priorität geworden. Die nicht bösen Reiter mochten ihre Verbündeten sein – auch wenn diese Bezeichnung in Thanatos’ Fall ein wenig fraglich war –, aber sollten deren Siegel brechen, könnten sie durch ihr Wissen um die Lage des gegenwärtigen Berliner Hauptquartiers eine Katastrophe anrichten.
»Ich sehe mir gerade einen Ort in Schottland an. Eine Burg mit Verbindungen zu den Tempelrittern, die mit einem ausgedehnten Netzwerk unterirdischer Gänge ausgestattet ist. Ich glaube, das hier könnte genau das sein, was wir suchen. Und was treibt ihr gerade so?«
Kynan blickte zu Chad, Malik, Zachary und Ian, die von ihren Sitzplätzen um den Konferenztisch herum der Unterhaltung lauschten. »Decker ist eben in DC gelandet, um sich mit Arik wegen irgendeines Militärprojekts zu treffen. Lance und Omar befinden sich auf dem Rückflug von Australien. Takumi und Juan … Keine Ahnung, wo die sind. Sie sollten einen Angriff gegen Pestilences Dämonen auf den Philippinen koordinieren, aber ich habe nichts mehr von ihnen gehört.«
Allerdings blinkte das Aegis-Symbol auf seinem Telefon, das ihm eine neue Nachricht verkündete. Also war es durchaus möglich, dass er von ihnen hören würde, sobald die Konferenz vorbei war.
»Irgendwas Neues über Regan?«
Ky seufzte. »Ich habe nichts von ihr gehört. Ares hat mir auf seinem Weg zu irgendeiner Schlacht eine SMS geschickt. Er hat sie wohl auf
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