The American Monstershow in Germany
einen Ring um ihr Opfer bildeten. Zufriedenheit spielgelte sich in ihren Gesichtern.
Zufriedenheit machte sich auch unter den Zuschauern breit, die nun endlich das Grauen für ihr Geld bekamen, das sie erwartet hatten. Keiner machte sich darüber Gedanken, wer dieses Mädchen war, das am Boden der Manege saß. Sie hatte inzwischen aufgehört zu schreien. Ein stilles Schluchzen war über sie gekommen.
Keinem Zuschauer fiel die Suchmeldung ein, die vor drei Tagen in mehreren Tageszeitungen gestanden hatte. Gesucht wurde die 18jährige Marion Mertens, ein Mädchen aus einem kleinen Dorf in unmittelbarer Nähe der Stadt. Sie war auf dem Weg zur Disco im Nachbarort gewesen und nie dort angekommen. Sie würde auch nie mehr zu irgendeiner Disco gehen.
Die Vampire bildeten einen Ring um ihr Opfer und gingen in gemessenen Schritten darauf zu. Es war wie das Ritual einer barbarischen Sekte. Das Mädchen starrte aus weit aufgerissenen Augen auf seine Bedränger. Es gab keinen Laut von sich. Jegliche Gegenwehr war aus ihm gewichen, geblieben war allein die lähmende Angst. Das Mädchen schrie auch nicht, als sich der erste Vampir auf sie stürzte und ihr in den Nacken biss.
Andreas erinnerte sich, dass er erst kürzlich davon gehört hatte, dass Tiere, die von Raubtieren gerissen werden, vom Schock betäubt werden, noch ehe der Tod sie ereilt. Sie spüren daher vom Schmerz des Tötungsbisses nichts mehr. So war es wohl auch bei diesem Opfer der Vampire.
Jürgen dachte rationaler. „Eine hübsche Inszenierung“, raunte er Andreas zu. „Langsam wird die Show besser, wenngleich es auch hierfür keines allzu großen Aufwandes bedarf.“
Ein Vampir nach dem anderen beugte sich über das Opfer und saugte sein Blut aus dem Körper. Dicke rote Tropfen perlten von den Lippen der blassen Gestalten. Ein schlürfendes Geräusch war zu hören, und der Teint des Opfers wechselte von grellem Rot über zartes Rosa zu kalkigem Weiß. Dann war es vollbracht. Das Mädchen würde selbst ein Vampir sein, wenn der Mond am Himmel aufging.
Kaum war die grausame Szene beendet, erschien der schwarze Mann mit seiner Peitsche in der Manege. Auch seine beiden Gehilfen waren wieder da. Sie trugen diesmal ebenfalls Peitschen mit Silberkugeln an den Enden der Lederriemen. Vereint trieben sie die drei Vampire aus der Manege. Nur die blasse Gestalt des Mädchens blieb zurück. An seinem Hals zeigten sich die bläulich verfärbten Bissstellen der Vampire, aus denen die letzten Blutstropfen flossen.
„ Kein schöner Anblick, nicht wahr?“ hub der Mann in Schwarz zu reden an. „Außerdem kann ich gerade noch drei Vampire durchfüttern. Lassen wir also dieses lästige Geschöpf entfernen, meine Damen und Herren. Erleben Sie nun voller Schaudern unsere – Zombies!“
Eilig zog er sich mit seinen Gehilfen zurück. Gespanntes Schweigen breitete sich aus. Nur ganz vereinzelt raschelte Bonbonpapier. Irgendjemand räusperte sich. Das Licht der Scheinwerfer wurde schwächer, es flackerte sogar leicht. Man konnte den Eindruck gewinnen, das Zelt würde durch Hunderte von Kerzen erleuchtet.
Als die Spannung ihren Höhepunkt erreichte, zeigten sich die Zombies.
„ Ausgezeichnetes Timing“, lobte Jürgen. „Ich bin nur gespannt, was uns diese Gestalten jetzt vorführen werden.“
„ Darauf bin ich gar nicht so neugierig“, erwiderte Andreas. Ein leichter Schauder lief über seinen Rücken.
Jürgen wandte den Kopf erstaunt zu seinem Freund um. Er schmunzelte und sagte: „Du glaubst doch nicht etwa, das hier wäre alles Ernst. Es sind Tricks, weiter nichts.“ Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen der Manege zu.
Die Zombies waren vier Gestalten, die tatsächlich auch einem abgehärteten Horrorfilmkonsumenten Schauer in die Glieder fahren lassen konnten. Allesamt waren sie in zerlumpte, mit Erde beschmierte Leichengewänder gehüllt. Das Fleisch war aufgedunsen und an einigen Stellen in Fäulnis übergegangen. Tiefe Wunden zogen sich über die Körper der Untoten. Einem der vier war offenbar der Schädel gespalten worden. Graue Hirnmasse war aus der Wunde ausgetreten und angetrocknet. Ein anderer Zombie war eine typische Wasserleiche. Das Gesicht war zu einer unförmigen Masse verquollen, das Fleisch hatte sich an vielen Stellen bereits von den Knochen gelöst und schimmerte grünlich. Die beiden anderen waren offenbar auf prosaische Weise verstorben, doch auch ihnen hatte der Aufenthalt in einem Grab den Stempel des Grässlichen
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