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The American Monstershow in Germany

The American Monstershow in Germany

Titel: The American Monstershow in Germany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Pawn
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dunklere Stimme. Georg erkannte sie. Sie gehörte Frank Baumgarten, einem Kraftfahrer.
    „ Wir warten, bis sie abziehen. Was sonst?“ Es war Pit, der geantwortet hatte, aber Georg wäre auch nichts Besseres eingefallen. Im Augenblick raubte ihm der Schmerz sowieso jede Möglichkeit, einen klaren Gedanken zu fassen.
    „ Scheiße, ich bin schon mit einer Tour im Rückstand“, ließ sich Baumgarten noch einmal aus seinem Winkel vernehmen, dann trat Stille ein.
     
    Anja Winter war nicht leichenblass. Sie war überhaupt nicht blass. Ihr gesamtes Gesicht war rot von ihrem eigenen Blut, das aus zahllosen Wunden ausgetreten und darüber verschmiert war. Wie viele Absätze hier ihre Spuren hinterlassen hatten, war nicht zu sagen. Die Nase war geradezu nach innen, in das Gesicht hineingedrückt worden. Das Kinn und der Unterkiefer waren zersplittert. Splitter waren nach außen getreten. Die Augen waren von Schmerz und Verzweiflung geweitet, und sie sahen Richard strafend an: Warum bist du so spät gekommen? Ich habe immer auf dich gewartet.
    Richard stand da und war weder fähig, etwas zu denken, noch etwas zu tun. Er hatte das Gefühl, das Wertvollste auf der Welt verloren zu haben, obwohl er wusste, er hatte es noch gar nicht besessen.
    Dann schrillte in seinem Kopf eine Alarmglocke. Sie wollte ihn in die Wirklichkeit zurückrufen, doch Richard hatte dafür kein Interesse. Irgendetwas ging vor, das noch bedrohlicher war als die Taube, die nun von oben direkt auf ihn herabstürzte. Aber das war Richard gleichgültig. Auch die Schmerzen, als der Vogel begann, auf seine Schädeldecke einzuhämmern wie ein wahnsinniger Schmied, spürte er nur gedämpft. Der Schmerz in seiner Seele, der sich von einem imaginären Punkt in seinem Körper in gleichmäßigen Wellen ausbreitete, war schlimmer und überlagerte alle anderen Wahrnehmungen. Es kam nicht zu verstärkenden Interferenzen der Schmerzen, sondern eher zu Auslöschungen, wenn er das Hacken der Taube auf seinem Kopf spürte. Jedes Mal schien es, als könne er für diesen Moment klar denken.
    In diesen Momenten begriff Richard auch, was für eine neue Bedrohung aufgetaucht war. Er hörte Schreie, Schreie von Kindern und vielleicht auch von Lehrern, doch diese Schreie kamen aus dem Innern der Schulgebäude. „Warum schreien sie immer noch?“ fragte sich Richard.
    Die klare Phase war zu Ende. Es wurde ihm wieder alles gleichgültig.
    ‚ Wenn sie im Haus sind, ist die Gefahr vorbei, oder etwa nicht?‘
    Der Schmerz im Schädel war wieder verschwunden, und mit ihm verschwanden die Gedanken.
    ‚ Sind ihnen die Tauben gefolgt?‘
    Wieder ein Fleischbrocken und ein Büschel Haare für die Taube auf Richards Kopf, wieder ein Gedankensplitter.
    ‚ Was geht da nur vor? Dieses Trappeln im Gebäude, was ist das?‘
    Die Taube nahm sich Richards Nacken vor.
    ‚ Es wird vorbei sein, wenn sie den Hauptnervenstrang herauszerrt‘, dachte Richard. ‚Es wird Frieden sein.‘
    Vielleicht hatte Richard Recht, und dies war die beste Art, Ruhe und Frieden zu finden. Die, die ins Schulgebäude geflüchtet waren, fanden diesen Frieden nicht. Ratten fielen plötzlich aus allen Winkeln über sie her. Keiner wusste, woher diese unheimliche Menge an Ratten gekommen war. Es schien undenkbar, dass sie alle im Keller des Schulgebäudes ihre Heimstatt hatten. Nun aber waren sie erschienen, als hätten sie nur auf die panisch vor den Tauben Flüchtenden gewartet.
    Emsig fielen die Ratten über ihre körperlich und seelisch an den Rand des Zusammenbruchs getriebenen Opfer her, in deren gequältem Verstand, der von Panik regiert wurde, sich ihre Zahl verzehnfachte.
    Als Richard die ersten Schüler wieder aus den Schulgebäuden stürzen sah, ließ sich gerade eine zweite Taube auf seinem Kopf nieder. Zwischen vereinzelten Schnabelhieben auf seine Augen, denen er nur halbherzige Gegenwehr entgegensetzte, sah Richard an den Fenstern Kinder mit grotesk aufgerissenen Mündern, die stille Schreie in eine verlorene Welt ausstießen. In einem der Stockwerke klirrte eine Scheibe, ein Sack wurde auf den Schulhof geworfen. Der Sack war ein Junge aus der 6b, die in der Stunde vor der großen Pause ihre Mathearbeit geschrieben hatten. Die Arbeit dieses Jungen hatte Richard noch nicht kontrolliert, doch das Ergebnis war bereits völlig belanglos geworden. Es gab den Schüler Andreas Heimann nicht mehr. Es würde auch seinen Mathelehrer nicht mehr lange geben.
    Die später hinzugekommene Taube erwischte Richards

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