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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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Fragen sind völlig irrelevant, Thuban. Und es gefällt mir nicht, wie ein Kleinkind behandelt zu werden – insbesondere nicht von einem Kleinkind.«
    Thuban reagierte nur mit einem langen Blick. Meiner Schätzung nach war er Ende zwanzig, also sicher kein Kind mehr. In keinem der beiden Gesichter spiegelte sich ihr Ärger, die Worte allein reichten schon aus.
    »Du hast drei Stunden, dann kommt Pleione mit ihrer Herde.« Er schob das Tor auf. »Wenn 40 zu fliehen versucht, wird es bei Sichtkontakt erschossen.«
    »Und wenn du dich einem Älteren gegenüber noch einmal derart respektlos verhältst, wirst du bei Sichtkontakt arretiert.«
    »Das würde die Blutsherrscherin nicht zulassen.«
    »Das müsste sie gar nicht. Ein solcher Vorfall lässt sich mit Leichtigkeit verschleiern.« Der Wächter ragte drohend über ihm auf. »Ich fürchte deinen Sargas-Namen nicht. Ich bin der Blutsgefährte, und ich werde die Macht ausüben, die meiner Stellung entspricht. Habe ich mich klar ausgedrückt, Thuban?«
    Mit funkelnden blauen Augen sah dieser zu ihm auf. »Jawohl, Bluts gefährte «, antwortete er leise.
    Wortlos ging der Wächter an ihm vorbei. Ich hatte zwar keine Ahnung, was da gerade zwischen den beiden abgelaufen war, aber es verschaffte mir eine gewisse Befriedigung mitzuerleben, wie ein Sargas abgekanzelt wurde. Gerade als ich hinter dem Wächter das Tor durchschritt, verpasste Thuban Ivy eine so heftige Ohrfeige, dass ihr Kopf herumgerissen wurde. Sie vergoss keine Träne, aber ihr Gesicht war geschwollen und mit Blutergüssen übersät, außerdem war sie noch dünner als zu Beginn unserer Zeit hier. Ihre Arme waren mit Schmutz und Blut verkrustet. Offenbar musste sie in ihrem eigenen Dreck leben. Seb hatte mich genauso angesehen, als ob es keine Hoffnung mehr auf der Welt gäbe.
    Für Seb, für Ivy und für alle, die noch kommen würden, nahm ich mir vor, bei diesem Training alles zu geben.
    *
    Port Meadow war riesig. Der Wächter marschierte mit so großen Schritten dahin, dass ich kaum mithalten konnte. Also stapfte ich hinter ihm her und versuchte, die Dimensionen des Geländes abzuschätzen. In dem schwächer werdenden Licht war das nicht ganz einfach, doch ich konnte einige hässliche Zäune sehen, die den zertrampelten Grund in mehrere große Arenen aufteilten. Sie bestanden aus dünnen Drähten, an denen Eiszapfen hingen. Die Zaunpfosten waren an der Spitze gebogen und teilweise mit schweren Stahlklammern versehen, an denen Laternen hingen. Im Westen ragte ein Wachturm auf, in dem ich gerade noch einen Menschen – oder Reph – ausmachen konnte.
    Wir kamen an einem flachen Teich vorbei, dessen gefrorene Oberfläche einen glatten Spiegel bildete. Perfekt geeignet, um in die Zukunft zu sehen. Überhaupt war alles auf diesem Gelände zum Kampf geeignet: fester Untergrund, klare, frische Luft, und es gab Geister. Ich spürte sie ganz deutlich, überall um mich herum. Kurz fragte ich mich, wie genau der Zaun um das Areal funktionierte. Hatten sie tatsächlich einen Weg gefunden, um Geister einzusperren ?
    Nein. Manchmal konnten Geister zwar in die stoffliche Welt vordringen, aber sie unterlagen keinerlei physischen Beschränkungen. Einzig und allein Fesselmeister waren in der Lage, sie einzufangen. Nur ihre Kaste – die fünfte – konnte die Grenzen zwischen stofflicher Welt und Æther entsprechend ausdehnen.
    »Durch diese Zäune fließt kein Strom«, der Wächter hatte meinen Blick bemerkt, »sondern Ætherenergie.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Ætherische Batterien. Ein Gemeinschaftsprojekt von Experten der Rephaim und der Menschen, gegründet im Jahr 2045. Eure Wissenschaftler haben bereits seit dem frühen 20. Jahrhundert an entsprechenden Hybridtechnologien gearbeitet. Wir ersetzen einfach die chemischen Energieträger in einer Batterie durch einen gefangenen Poltergeist, also einen Geist, der mit der stofflichen Welt interagieren kann. Der erschafft dann ein Feld der Abstoßung.«
    »Aber Poltergeister können ihren Fesseln entfliehen«, wandte ich ein. »Wie könnt ihr sie da festhalten?«
    »Indem man natürlich einen willigen Poltergeist verwendet.«
    Fassungslos starrte ich auf seinen Rücken vor mir. Die Begriffe »willig« und »Poltergeist« hatten ungefähr so viel gemeinsam wie die Konzepte Krieg und Frieden.
    »Unsere Forschungsgruppe hat außerdem die Erfindung von Flux 14 und der RDT -Technologie vorangetrieben«, fuhr er fort. »Letztere bleibt allerdings weiterhin sehr experimentell.

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