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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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verschränkte die Finger. »Ich werde dafür sorgen, dass sie dir nie wieder etwas antun.«
    Ich hätte ihm danken sollen, tat es aber nicht.
    »Setz dich«, forderte er mich auf. »Deine Aura wird sich regenerieren.«
    Erleichtert ließ ich mich in den zweiten Sessel sinken. Meine Rippen taten inzwischen weh, und meine Beine brannten. Der Wächter musterte mich aufmerksam.
    »Hast du Durst?«
    »Nein.«
    »Hunger?«
    »Nein.«
    »Du musst Hunger haben. Diese Schleimsuppe der Akrobaten schadet mehr als sie nutzt.«
    »Ich bin nicht hungrig.«
    Was die reinste Lüge war. Die Suppe war kaum nahrhafter als Wasser, und mein Magen sehnte sich nach etwas Deftigem, Heißem. »Schade.« Der Wächter zeigte auf den Nachttisch. »Ich hatte bereits etwas für dich vorbereitet.«
    Schon als ich reingekommen war, hatte ich es gesehen. Zunächst hatte ich angenommen, der Teller sei für ihn bestimmt, doch dann fiel mir ein, wovon sie sich ernährten. Natürlich war das nicht seine Mahlzeit.
    Als ich mich nicht rührte, handelte der Wächter. Er stellte mir den Teller auf den Schoß und legte schweres Silberbesteck dazu. Ich sah mir das Essen an. Allein bei dem Anblick wurde mir schwindelig, und meine Kehle wurde eng. Gekochte Eier, so aufgeschnitten, dass das flüssige Gelb herausquoll. Ein Glasschälchen voller Eintopf, bestehend aus Graupen, Pinienkernen und dicken schwarzen Bohnen, die wie kleine Onyxsplitter glänzten. Eine geschälte, in Brandy eingelegte Birne. Dicke, dunkle Weintrauben. Vollkornbrot mit Butter.
    »Nimm es.«
    Ich ballte krampfhaft die Fäuste.
    »Du musst essen, Paige.«
    Wie gerne hätte ich ihm getrotzt, ihm den ganzen Teller vor die Füße geschmissen, aber mir war schon ganz schwummerig, mein Mund war völlig ausgetrocknet, und ich hatte nur noch einen Wunsch: dieses verdammte Essen in mich reinzustopfen. Ich griff zum Löffel und probierte den Eintopf. Die Bohnen waren warm, die Nüsse knackig und süß. Erleichterung breitete sich in mir aus, und die Bauchschmerzen ebbten ab.
    Der Wächter kehrte zu seinem Sessel zurück. Schweigend sah er zu, wie ich mich den verschiedenen Gerichten widmete. Ich spürte seinen stechenden, leuchtenden Blick auf mir. Als ich fertig war, stellte ich den Teller auf den Boden. Der Geschmack des Brandys hielt sich noch auf meiner Zunge.
    »Danke«, sagte ich leise.
    Es ging mir zwar gegen den Strich, aber irgendetwas musste ich sagen. Seine Finger tanzten über die Armlehne.
    »Morgen Abend möchte ich mit deinem Training fortfahren«, verkündete er. »Hast du irgendwelche Einwände?«
    »Ich habe ja keine Wahl.«
    »Und falls doch?«
    »Habe ich nicht«, erwiderte ich, »es spielt also keine Rolle.«
    »Das war rein hypothetisch gemeint. Wenn du eine Wahl hättest, wenn du dein Schicksal bestimmen könntest – würdest du dann das Training mit mir fortsetzen oder dich der nächsten Prüfung lieber unvorbereitet stellen?«
    Mir lag eine scharfe Antwort auf der Zunge, doch ich verkniff sie mir und sagte stattdessen: »Weiß nicht.«
    Der Wächter stocherte im Feuer herum. »Das muss eine ziemliche Zwickmühle sein. Deine Moral sagt Nein, doch dein Überlebensinstinkt sagt Ja.«
    »Ich weiß bereits, wie man kämpft. Ich bin stärker als ich aussehe.«
    »Ja, das bist du. Deine Flucht vor dem Oberaufseher hat das bewiesen. Und natürlich birgt deine Gabe viele Vorteile – nicht einmal Rephaim rechnen damit, dass ein fremder Geist in ihre Traumlandschaft eindringt. Damit hast du das Überraschungsmoment auf deiner Seite.« Die Flammen spiegelten sich in seinen Augen. »Doch zuallererst musst du deine Grenzen überwinden. Es gibt einen Grund, warum es dir so schwerfällt, deinen Körper zu verlassen. Jede deiner Bewegungen ist kontrolliert. Deine Muskeln stehen stets unter Spannung, immer fluchtbereit, als würdest du mit jedem Atemzug eine Gefahr wittern. Es schmerzt, das mit anzusehen, schlimmer als bei einem gehetzten Reh. Denn das Reh kann sich zumindest zu seiner Herde flüchten.« Er beugte sich vor. »Wo ist deine Herde, Paige Mahoney?«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Natürlich verstand ich, was er meinte … aber meine Herde, mein Rudel, das waren Jax und der Rest der Gang. Und über ihre Existenz durfte ich kein Wort verlieren. »Ich brauche keine«, sagte ich schließlich. »Bin ein einsamer Wolf.«
    Er fiel nicht darauf herein. »Wer hat dir beigebracht, an Häusern hochzuklettern? Oder eine Schusswaffe zu benutzen? Wer hat dir geholfen,

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