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The Cocka Hola Company: Roman

The Cocka Hola Company: Roman

Titel: The Cocka Hola Company: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matias Faldbakken
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existiert in seinem ramponierten Gefühlsregister nur als etwas, woran er erstickt. Wenn Simpel an Raum 217 denken muss, was dank Lonyls Karriere als Problemkind relativ oft geschieht, dann brandet ihn Ekel an: Hier-ist-nichts-zu-holen-als-Überdruss-und Bekümmerung-und-die-Tage-fließen-ineinander-und-es-ist-immer-dunkel-und-alles-erinnert-nur-an-Zwang-und-Pflicht-und-ein-Leben-voller-Schulpflicht-und-Lohnarbeitspflicht-und-Leistungszwang-und-Traurig-keit-und-Traurigkeitspflicht-ich-will-hier-weg-aber-ich-muss-immer-hier-sein-warum-bin-ich-bloß-gezwungen-soviel-an-solchen-Orten-zu-sein-dass-ich-schon-glaube-ich- brauche- das.

    Die Besprechungen in Raum 217 geben Simpels Projekten Zunder, so kann man das sagen. Und demnächst ist Berlitz, der Sack, selber fällig.

    Lonyl sieht aus wie eine hellbraune Ausgabe von Buckwheat, allerdings ohne Buckwheats Stummfilmkomik. Lonyls Verhalten und Heldentaten sind insgesamt ausgesprochen wenig unterhaltsam. Lonyl ist kein kleiner Strolch. Er ist ein todernster Fall von tragischer Verhaltensstörung. Als Simpel und Motha, beides offensichtlich gesunde Leute, sich über einem Fischladentresen auf Pemba bei Sansibar Knall auf Fall ineinander verliebten, konnte kein Mensch ahnen, dass die Kombination ihrer Chromosomen so ein Monster ergeben würde. Trotz seines gestörten Innenlebens verfügt Lonyl über ein berückendes Äußeres. Genau wie Buckwheat. Seit einigen Jahren kämmt Motha ihm das Haar sogar glatt nach hinten, da Lonyl jedem, der seiner Afromähne zu nahe kam, die Zähne in die Hand oder den Arm schlug. Simpel hat nie ganz begriffen, wie sie das schafft; als Kamm benutzt sie ein Werkzeug aus Sansibar, wohl das Einzige, das man durch die verfluchten Afrolocken durchkriegt, eine Art grifflose Gabel mit zehn langen Zinken. Aber Simpel hat keine Ahnung, wie es funktioniert; die wenigen Male, wo er es gewagt hat, seinem Sprössling väterlich den Schopf zu wuscheln, hakten seine Finger sich fest, Lonyl heulte, jaulte und fletschte die Zähne. Also hält Simpel sich der Morgentoilette fern und vermeidet leichtsinniges Haarewuscheln. Ihm genügt, dass er Lonyls Milchzähne einmal zu spüren bekommen hat, letzten Herbst, als Motha ihre Familie auf Pemba besuchte. Beim ersten Versuch, Lonyl mit dem Afrokamm zu Leibe zu rücken, verpasste ihm der Kleine einen Biss in den Unterarm, der sich lila verfärbte und zwei Monate lang elend wehtat. Dass Motha Lonyl den Afro wuscheln kann, soviel sie will, verbucht Simpel als Afrikaner-Soli. Verflixte Wilde. Zurzeit fehlen Lonyl sowohl oben als auch unten die Schneidezähne, und wenn er überhaupt mal lächelt – meist aus Schadenfreude – klafft ein Loch. Letzte Woche hätte Simpel beinahe den Zeigefinger eingebüßt: Als fürsorglicher Vater wollte er Lonyl eine Schicht Parmesamkrümel von der Wange streifen, aber schneller, als er »psychotisches Scheißbalg« hätte sagen können, machte es klack , und sein Finger saß in dem Loch fest, wo bis vor kurzem Lonyls Schneidezähne waren. Simpel konnte ihn gerade noch rausziehen, bevor Lonyl mit den Backenzähnen nachfasste.
    Lonyls Physis ist tadellos. Er ist mit einem Penis ausgestattet, um den sein Papa ihn jetzt schon beneidet. Sein Oberkörper ist muskelbepackt, Nacken und Schultern bilden kleine konvexe Bögen, wie bei einem Boxer. Die Brustmuskeln sind zwei steinharte Tennisbälle. Das Einzige, was Lonyl neben der Körpergröße von einem erwachsenen Athleten unterscheidet, ist sein Riesenkopf. Dass sein Haar absteht wie eine Gewitterwolke, lässt den Kopf auch nicht gerade kleiner erscheinen. Motha fürchtet immer wieder, Lonyl könnte wegen der einseitigen Carpaccio-Kost von Mangelernährung bedroht sein, aber Dr. Groepple, der Kinderarzt mit den trockensten Lippen der Welt, sieht keinen Anlass zur Sorge. Das Carpaccio enthalte alle Nährstoffe, die er braucht. »Ssie ßehen ja, er praucht nischtß antereß«, beruhigt er sie jedes Mal. »Ter Junge ißt außkezeischnet peißammen.« Auf Groepples Rat hin hat Motha den Kleinen beim Sport angemeldet, aber ohne Erfolg. Es versteht sich von selbst, dass Lonyl a) sich weigert, Anweisungen zu befolgen; b) bei Gruppen- und Mannschaftsaktivitäten grundsätzlich nicht mitmacht; c) den minderbegabten städtisch angestellten Trainern die Hölle heiß macht; d) Umkleide, Clubhaus und Turnhalle sowie die untrainierten, in ADIDAS-Hosen steckenden Beine verschiedener Betreuer mit seinen Filzern zukrakelt; e) abhaut, sobald Motha ihm den

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