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The Cocka Hola Company: Roman

The Cocka Hola Company: Roman

Titel: The Cocka Hola Company: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matias Faldbakken
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gegenüber dem Slogan noch skeptisch, doch Berlitz peitschte ihn durch, mithilfe einiger der flammendsten Reden, die die Stadt je erlebt hat. »Wo der Hass keinen Zweifel mehr kennt, muss man das Böse bei seinem wahren Namen nennen!«, hatte er posaunt.
    Lonyl ist für Berlitz ein gefundenes Fressen, wie man so sagt; trotz ausgedehnter Studien des Kritzelphänomens ist ihm ein derart drastischer Fall noch nicht untergekommen. In der ersten Unterredung, wenige Wochen nach Lonyls erstem Schultag, gelang es dem Kleinen, die gesamte Vorderseite des kathederartigen Tisches, hinter dem Berlitz thront, mit kleinen Kreuzen, Strichen und Flecken zu verunzieren. Gelegenheit dazu hatte er dank eines lautstarken Wortwechsels zwischen Simpel und Berlitz (einige Monate, bevor Simpel im Gefolge der Adventsfeier seine Grundschulautoritätsneurose entwickelte), und beiden entging Lonyls freie Entfaltung auf der Holzplatte zwischen den vorderen Tischbeinen. Seit jenem Tag sitzt der Schrecken der Tagger hinter einem Tisch voller primitiver Filzertags, die niemand wegbekommt. Trotz inständigen Bittens hat die B-Schule Mal ums Mal Berlitz’ Anträge auf einen neuen Tisch abgeschmettert, mangels verfügbarer Mittel. Nach dem Vorfall hat Simpel Lonyl eine extragroße Tüte Gummibärchen geschenkt, und wie oft hat er seitdem nicht seine Neurose verflucht, die seinen Spaß mindert, wenn er in 217 sitzt, bei BERLITZ MIT SEINEM BUNTEN TISCH. PapaHans hat die Sache als vollwertiges DESIREVOLUTION-Projekt in der Abtlg. COOLCONVENTION zugelassen. Den Titel BERLITZ MIT SEINEM BUNTEN TISCH hat Lonyl selber erfunden, als Simpel ihn mit nettester Papastimme aufforderte: »Wenn Berlitz, dieser Mann, bei dem wir gewesen sind, weißt du, der mit dem Tisch, den du so hübsch bemalt hast, wenn der sozusagen mit zu dem Bild gehören würde, also wenn der ganze Tisch mit den hübschen Zeichnungen und Berlitz zusammen ein großes Bild wären, ja, wie würde das große Bild dann heißen, Lonyl? Kannst du dir einen Namen für so ein groooßes Bild ausdenken, Lonyl?«

    Simpel ist sicher, dass er Berlitz’ Haartransplantation erkennen kann, auch wenn der gar kein transplantiertes Haar hat. Berlitz’ Stirn ist auf eine unheimliche Weise glatt, so wie bei einer verdächtig großen Anzahl Haartransplantierter, und wahrscheinlich ist eben diese Stirn dafür veranwortlich, dass Simpel anfängt zu halluzinieren. Auf Berlitz’ Stirn ist keine einzige Falte zu sehen, die Haut sieht aus wie straff über eine Knolle gespannt, sie glänzt und blitzt ganz widerwärtig. Auch das übrige Gesicht ist ein einziges großes und furchteinflößendes Fehlen von Mimik. Länger als eine halbe Sekunde aufs Mal kann Simpel nicht in dieses Gesicht blicken. Erstens wegen der obszön glatten Stirn und dem übergepflegten Bart. Zweitens wegen Berlitz’ Blickerwiderung. Berlitz ist ein Meister des Blickkontakts oder in Simpels Fall ein Meister darin, die kompromisshafteren Blicke seines Gegenübers abzuschrecken. Es ist menschlich unmöglich, findet Simpel, in diese eingebildete Selbstsicherheit und die eingebildete Überlegenheit zu schauen, die aus Berlitz’ Visage funkeln. Simpels Problem ist, das Berlitz dank Simpels wild flackerndem, gehetztem Blick faktisch zu wahrer Selbstsicherheit und wahrer Überlegenheit gelangt. Seine, Simpels, Augen fliegen über die Einrichtung von Raum 217, verzweifelt auf der Flucht vor Berlitz’ Psychiater-Augen, die sich in die ihm zugewandte Wange einbrennen. Der Raum sieht aus wie eine Art umgebautes Klassenzimmer, er ist kaum anders eingerichtet als ein richtiges Klassenzimmer, aber wenn Simpel nach überstandener Besprechung in den ebenso tristen Gang hinaustritt, wäre er nicht in der Lage, auch nur einen Einrichtungsgegenstand zu benennen. Er erinnert sich an das Katheder und an Berlitz’ Gesicht. Punkt. Der Rest verschwindet in Emotionsnebel und Erschöpfung. Er könnte nicht sagen, in welcher Farbe die Wände gestrichen sind, ob sie irgendwie strukturiert sind, wie viele Fenster links zu sehen waren oder welches Muster das Linoleum verunziert. Er weiß nicht mal, ob an der Wand hinter Berlitz eine Tafel hängt oder es eine dunkle Aura aus Bosheit war, die er da wahrgenommen hat. Hängen zusammengerollte Karten über der eventuellen Tafel? Stehen Pulte im Raum? Befinden sich Regalfächer aus Sperrholz an der rechten Wand? Hängen Kinderzeichnungen an der Wand? Mag schon sein. Simpel weiß es nicht. Ist ihm auch wurscht. Zimmer 217

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