The Cocka Hola Company: Roman
Ziel. Er braucht nicht mal was zu sagen. Seine abgeschmackten Blicke sagen mehr als tausend abgeschmackte Worte.
Aber dazu wird es heute Abend nicht kommen.
Eisenmann hat sich vom Kauf eines EAGLE I überzeugen lassen. Tony »Legs« Guerrero hat ihm eine Liste mit Argumenten vorgebetet, dass er nur noch dastehen und nicken konnte. (You’ve got: →One Year Warranty →Lightweight precision CNC cut aluminium or stainless →Miniature precision offset gearmotor →Constant contact power supply hookup →Drop frame that will accept all of your existing tubes and the most common needle lengths of 5 3/4 inches or less →Self lubricating alloy metal cams →Cam direct drive (power in power out, no needle hang) →Lightweight power cord with no swing →Fully adjusted by cam, tube length and speed – true simplicity! Also hat er einen EAGLE I gekauft, und dazu noch ein FREEDOM II – Compact Precision Power Supply . Einen einfacher zu bedienenden Tätowierapparat findet man nicht, so viel hatte Eisenmann von Guerreros Ausführungen begriffen. Simpel ist wahrlich kein technisches Genie, aber mit diesem Ding hier kommt er relativ problemlos zurecht. Das einzige Malheur passiert ihm, als er eine Tintenpatrone verkehrt herum einsetzen will und sie platzt. Eine blutrote Bahn vom Brustbein bis unters Kinn ist das Resultat. Zwei Minuten intensives Fluchen, und die Chose ist vergessen. Zum Glück hat er mehrere rote Patronen dabei.
Simpel hat Pullover und T-Shirts und was noch alles Schicht um Schicht hochgeschoben, bis er sich zu Monicas blassem, fettem Bauch durchgewühlt hatte. Jetzt sitzt er rittlings gebeugt über ihr und zieht säuberlich die Umrisse eines roten Fs, rund sechs Zentimeter hoch und eineinhalb breit. Er hat eine Rolle Klopapier geholt und tupft regelmäßig die Blut-Tinten-Mischung weg, damit er sieht, was er tut. Der Apparat funktioniert einwandfrei. Wie mit Malstiften auf einer nachgiebigen Unterlage arbeiten, denkt er. Zunächst zieht er die Umrisse der Buchstaben, dann füllt er sie mit Farbe aus. Es geht langsam, aber anders geht es nicht. »Du wirst dich wundern, was für Bauchgefühle du jetzt kriegst!«, trällert Simpel vor sich hin, während die Nadel über Monica B. Lexows Speck wandert. Seine Stimme geht im schnarrenden Geräusch des Motors unter. Simpel ist glücklich. Seit TRAM SLAM damals hat ihm die Durchführung eines Projekts nicht mehr so viel Spaß gemacht. »Ich zeig dir’s, ich zeeeeig dir’s, es soll Tränen geben, ich treib dir deine Freude und deinen Enthusiasmus aus, jetzt musst du dafür blechen, was du bist, Monica«, summt er weiter. Er wird ganz ruhig bei seiner Aktion. Sogar der Gieper auf Xanax verstummt für eine Weile. Sein Herz schlägt gelassen. Kein Sodbrennen mehr. Dann und wann zündet er sich eine Zigarette an. Summt. Arbeitet hingebungsvoll. Kneift kritisch die Augen zusammen. Nach fünf Buchstaben wechselt er von roter zu schwarzer Tinte. Während er die Patrone austauscht, begutachtet er das bisher Geschriebene. Jetzt steht da Fasci . Er hatte es in ziemlich strengen Arial-Lettern schreiben wollen, aber es sieht doch eher hausgemacht aus. Trotzdem, dafür, dass er aus der freien Hand arbeitet, ist es gar nicht so übel geworden. Er hat Monica B. Lexows Kopf zur Seite gedreht, damit sie zu schnarchen aufhört. Diese widerwärtige, schnarchende Visage könnte ihm die Freude an seiner Aktion verderben. Monicas Mund steht ein wenig offen, ihr Sabber rinnt auf ein besticktes Kissen. Simpel versucht, sie nicht anzusehen. Seit einer Weile bimmelt das Telefon, es läutet lange. Dann eine kleine Pause. Dann läutet es wieder. So geht es eine gute Stunde lang. Simpel weiß haargenau, wer das ist.
Es soll noch gut zweieinhalb Stunden dauern, bis er NATION durchbuchstabiert hat. Gegen Ende dieser Zeit fühlt Herr Dr. Berlitz, Ehemann, Vater zweier Kinder und Kinderpsychiater, sich von Monicas Ausbleiben und den unbeantworteten Anrufen derart provoziert, dass er den Mantel anzieht und abrauscht, um sie bei einem heftigen Geschlechtsverkehr im Atelier zu überraschen – etwas anderes kann es doch nicht sein, denkt er. Er würde sich nie eingestehen, dass er sich buchstäblich darauf freut , seine Gattin dabei zu ertappen, wie sie wild mit einem anderen Mann zugange ist, aber sein Gang voll beschwingter Aggression verrät, dass er dem bevorstehenden Konflikt ausgesprochen lustvoll entgegensieht. Es ist fast drei Uhr nachts, als er bei der Adresse von TEXTIL 16 anlangt.
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