The Cocka Hola Company: Roman

Untersuchung des Tatorts aufbrechen, hört Berlitz ein urschreiartiges Röcheln aus dem Zimmer seiner Frau. Sie ist wach und starrt entsetzt auf ihren Textildesignerbauch.

    In der Hinrichsgate, im Hause von TEXTIL 16, finden die beiden Polizisten Krauss und Phoolan nichts, was auf Simpel deuten würde. Simpel hat alle benutzten Utensilien mitgenommen: Klopapier, Gläser, Weinflasche, Tintenpatronen, er hat alles schön sauber hinterlassen. Das einzig Interessante, das die Beamten finden, sind ein verdächtiger Baseballschläger und eine dito Fahrradkette neben dem Sofa auf dem Boden. Sie stecken beides in Plastiktüten und kommen überein zu warten, bis die Lexow wieder vernehmungsfähig ist.

DIENSTAG, 15. DEZEMBER
(Zu Hause bei Casco)
    Casco hat ordentlich Bartwuchs. Jetzt hat er sich eine Woche lang nicht rasiert, und es sieht schon aus wie ein richtiger Bart. Die Dreharbeiten für I’M CREAMING FOR A WHITE CHRISTMAS sind direkt für die Weihnachtstage geplant. R-Peter ist in der letzten Zeit mit Terminen etwas unzuverlässig gewesen, nach eigener Aussage war er einfach zu sehr mit der Arbeit an neuen Ideen beschäftigt, darum soll erst so spät gefilmt werden. R-Peter hat einige Szenen in weihnachtlich belebte Straßen gelegt, aber derlei Dekos übersteigen das Budget von DESIREVOLUTION, weswegen vor Ort in Realumgebung gefilmt werden muss. Nun war aber keiner der Schauspieler darauf vorbereitet, ausgerechnet an Heiligabend vor der Kamera zu vögeln; R-Peter ist jetzt beim Stab unbeliebter als je zuvor. Casco ist es mehr oder weniger egal, wann gefilmt werden soll, er ist zufrieden, dass er pünktlich einen Bart vorweisen kann. Er freut sich nämlich durchaus nicht auf die Adventsfeier der Scheiss-B-Schule morgen, und er sieht den Bart als letzte Rettung an, um nicht wiedererkannt zu werden, das wäre ihm mehr als peinlich.

    Tiptop ist gerade zu Besuch und hat fünf Minuten lang versucht, Casco mit seinen üblichen, Simpel abgeschauten Spielt-doch-keine-Rolle-Argumenten zu beruhigen. Er hat Casco daran erinnert, dass Fräulein Færøy weg ist und allenfalls die Eltern, die letztes Jahr dabei waren, ihn vielleicht erkennen könnten, und auch die nur ohne den Bart – also wo liegt die Gefahr? Sonst hat Casco doch auch keine Angst vor peinlichen Auftritten, oder?

    Die beiden Pornodarsteller sitzen sich an Cascos Wohnzimmertisch gegenüber, einem Tisch, der eigentlich nie benutzt wird. Was übigens für das ganze Wohnzimmer gilt, bis auf Momente wie diesen, wenn Tiptop zu Besuch ist und die beiden noch nicht wissen, was sie anfangen sollen. Tiptops Wohnung ist ebenso nichtssagend wie Cascos. Beide stehen dem bescheuerten Projekt namens Privatleben ohne jede Begeisterung gegenüber und hatten nie Lust und Kraft, etwas aus ihren Wohnungen zu machen. So haben sie je 100 Quadratmeter Wartezimmer, Schlafraum, was man will.

    – Kaffee?, fragt Tiptop, was Ausgehen bedeutet, da Casco über keine Kaffee-Infrastruktur verfügt.
    – Mja. Casco steht auf und holt seine Jacke, die Tiptops Jacke nicht unähnlich ist. Dann ruft Simpel an, und Casco spricht zwanzig Sekunden lang mit ihm.

    Tiptop hört an der Tonlage, dass am anderen Ende der Leitung Begeisterung herrscht, er ahnt, dass sie ihre Pläne ändern müssen. Und genau: Casco legt auf und erklärt, der neue Plan bestehe darin, dass sie Simpel in einer Viertelstunde unten beim FarbFotoExpress treffen.

    Der einzige wesentliche Unterschied zwischen Casco und Tiptop ist der, dass Tiptop etwas blonder ist als Casco. Als sie aus der Tür gehen, zeigt sich, dass Tiptop auch zwei, drei Zentimeter größer ist. Sonst gleichen sich die beiden Männer weitgehend. Äußerlich wie innerlich. Beide sind 31 Jahre alt, beide haben sich persönlich und geistig seit dem 19. Lebensjahr nicht nennenswert entwickelt.

    Simpel hängt beim FarbFotoExpress über dem Tresen und redet sich immer mehr in Rage:

    – Jetzt ist gut über eine Stunde rum, verdammt nochmal! Was werbt ihr erst mit Entwicklung in einer Stunde, wenn ihr’s in einer Stunde nicht schafft? Hä? Hä? Eine Stunde und zehn Scheißminuten ist mehr als eine Stunde! Ihr habt mir erzählt, es dauert eine Stunde! Jetzt sind es scheiß siebzig Minuten! So geht das nicht! Hörst du? Hä? Wie lange soll ich mir hier noch die Beine in den Bauch stehen? Wie lange dauert denn bei euch eine Stunde? Sag schon! Hundertzwanzig Minuten? Hundertachtzig? Zweihundertvierzig? Das ist das letzte Mal, dass ich meine Fotos in diesen