The Cocka Hola Company: Roman
Ssiimpel.« Simpel hingegen ist sicher, dass er es merkt, wenn er mit einem Idioten zu tun hat. »Ich lasse mir verdammt nochmal nicht das Recht nehmen, jemanden dumm zu finden« hat er jedes Mal gedacht, »auch nicht von dir mit deiner verfluchten Hottentottenweisheit.« Motha hat den Bogen gut raus, Simpel schachmatt zu setzen mit so einer Edle-Wilde-Nummer à la ich-weiß-etwas-das-duohne-meine-Urerfahrung-und-meine-Urinstinkte-garnicht-wissen-kannst. Sie bringt oft Argumente, die jede weitere Diskussion abwürgen. Mit anderen Worten: Ihre Ehe zeichnet sich nicht unbedingt durch kommunikative Höhenflüge aus. Aber sie kommen gut miteinander klar, letztlich kann man sich miteinander auch wohl fühlen, ohne so wahnsinnig viel miteinander zu reden.
Simpel fühlt sich durch Lonyls Anwesenheit in der Küche extrem gestresst. Ihm wäre es am liebsten, Lonyl würde in seiner Ecke sitzen und ohne Ende weiterkritzeln. Wenn Lonyl hier rumtapst, kann er sich auf gar nichts konzentrieren; es ist nun mal eine unumstößliche Wahrheit, dass es immer Katastrophen gibt, wenn Lonyl nicht autistisch dasitzt. Simpel starrt auf die Tischplatte und wartet auf die Katastrophe, er hat überhaupt keine Lust, wütend zu werden, sondern möchte sich Energie und Zorn für würdigere Anlässe aufheben, aber was soll er tun, er hat ja keine andere Wahl, denn schon wirft Lonyl einen Liter Milch um, der sich über den Kühlschrankinhalt ergießt.
– LONYL, VERDAMMTE SCHEISSE! WAS MACHST DU DA? WAS SOLL DAS? LONYL? WAS SOLL DAS?
– Ssiimpel, das is dok nu’ ein bissken Miilk, sagt Motha begütigend.
– DA SCHEISS ICH DRAUF, SCHAFF DAS VERFLUCHTE BALG HIER RAUS! EIN BISSCHEN MILCH? DAS WAR EIN GANZER SCHEISSLITER!!! SCHAFF BLOSS DAS VERFLUCHTE BALG HIER RAUS!
Simpel traut sich nicht, Lonyl in seine Ecke rüberzutragen, schließlich will er weder einen Biss in den Arm noch einen Tritt in die Genitalien riskieren.
Motha erledigt das umstandslos. Lonyl hängt wie ein Sack in ihren Armen, während sie ihn hinüberträgt. Dort nimmt er die Bodendekoration wieder auf; Simpel geht angewidert in die Knie, um die Milch aufzuwischen, die aus dem Kühlschrank auf den Fußboden rinnt. Motha kommt zurück und liest die Zeitung weiter, immer noch dieselbe Seite. Simpel stöhnt und flucht jedes Mal, wenn er den milchgetränkten Wischlappen über der Spüle auswringt. Um zehn nach vier klingelt Casco.
– Das wird verdammt nochmal auch Zeit, Casco, die Kernfamilie hier oben zersplittert gerade, sagt Simpel bitter in die Gegensprechanlage.
Während Casco hochkommt, schluckt Simpel schnell ein Milligramm Xanax. Casco strotzt nur so vor koksgetränktem Selbstvertrauen. Bevor er zu Hause aufgebrochen ist, hat er sich ein paar fette Lines reingezogen, und er hat so viel Vorrat dabei, dass die Adventsfeier ihm keine Sorgen mehr macht. Alle Kümmernisse sind so rasch verschwunden wie das Koks in seiner Nase. Fragt man Casco, so sieht es bei Simpel und Motha ganz fürchterlich aus; man darf nicht vergessen, dass Cascos Eltern ihm strenge Sauberkeits- und Ordnungsvorstellungen anerzogen haben, bei aller Toleranz und Geduld. Erstens sieht die Wohnung aus, als wäre sie seit Jahr und Tag nicht mehr geputzt worden – dabei wohnt die Familie erst seit ein paar Wochen hier. Zweitens sind Linoleum und Wandverkleidungen voll mit Lonyls Strichen und Kreuzen. Drittens riecht es hier drin nicht unbedingt so gut; jede Familie hat ihren eigenen Familiengeruch, okay, aber auf diesen speziellen Odeur könnte Casco verzichten. Viertens fliegen sämtliche eigentlich gar nicht so zahlreichen Gegenstände, mit denen sich die Familie umgibt, irritierend ungeordnet herum. Fünftens müsste man schon sehr gewandt argumentieren, um zu behaupten, Kippen und Essensreste wären eine appetitliche Kombination. Und sechstens wird es durch die Milch auf dem Küchenfußboden auch nicht besser; Simpel und Motha sitzen daneben und haben ihren kleinen Familienkrach. Casco begrüßt Motha und muss gewaltig aufpassen, dass er beim Hinsetzen nicht in die Milch patscht, die wegzuwischen Simpel aufgegeben hat. Simpel bemerkt nicht, dass Casco ziemlich zugedröhnt ist. Wäre ihm auch egal. Er gibt Casco erst die Hand, als der sitzt, dann bittet er ihn um eine Zigarette. Casco zückt seine LUCKIES und fragt, ob Lonyl sich auf die Adventsfeier freut. Simpel antwortet, es ist unmöglich, mit dem Kind zu kommunizieren, er weiß nicht mal, ob Lonyl überhaupt klar ist, dass er zu so einer Feier
Weitere Kostenlose Bücher