The Curse - Im Schatten der Schwestern (German Edition)
Richtung, in der ich Castle Coulin vermutete, und machte mich auf den Weg.
***
Vanora stand auf den Zinnen von Castle Coulin , den Blick starr auf den Horizont gerichtet. Der Wind peitschte ihr ins Gesicht, trug das Unheil bereits mit sich. Flüsterte ihr die Zukunft ins Ohr.
Und Vanora lauschte. Sie hatte immer auf die Stimme des Windes gehört und im Laufe ihres Lebens gelernt, ihr zu vertrauen. Heute war der Tag, den sie schon vor langer Zeit in einer Vision gesehen hatte, der Tag des Wiedersehens. Ein glückliches Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Sie würde zum ersten Mal ihre Tochter sehen. Zum ersten Mal, seit Grant Stuart sie in der Nacht, als sie das Mädchen geboren hatte, davonjagte. Sie verdrängte die Erinnerung und konzentrierte sich wieder auf die Stimme des Windes.
Das Mädchen, es rennt, es kämpft, und es weint,
weil es in sich Schuld und Unschuld vereint.
Vanora seufzte und schloss die Augen. Das Schicksal dieses unbekannten Mädchens war auch das ihre. Sie trugen beide die Bürde, die Zukunft zu kennen, und wussten doch nicht, dieses Wissen zu nutzen.
Vanora hob die Hände, lenkte den Wind, sodass er dem Mädchen im Rücken stand und sie trieb, anstatt ihr den Weg zu erschweren. Sie musste sich beeilen, oder alles wäre umsonst gewesen.
Es lag allein in des Mädchens Hand, das Schicksal aller zu besiegeln und den Kreis zu schließen. Nur dann würde die Liebe den Hass besiegen.
Die Highlands, Vanoras freiwillig gewähltes Gefängnis, waren ihr in all den Jahren zur Heimat geworden, ihre Zuflucht – ein Ersatz für Familie.
Heute würde der Hass siegen, aber mit Muireall Cameron, dem Kind der Liebe, die Hoffnung weiterleben.
Vanora wandte sich um, die Schönheit der Berge vergessend, die Aufgabe zu erfüllen, die vor ihr lag.
Muireall Cameron musste leben, dafür würde sie sorgen, denn sie trug die Wurzeln der Liebe in sich.
„Cuimhnich air na daoine o‘n d‘thanig thu, Muireall”, flüsterte sie ihre Bitte an Muireall, sich derer zu erinnern, von denen sie abstammte, in den Wind.
***
Kyle, der nach der Auseinandersetzung aus der Halle geflohen war, hatte sich inzwischen wieder gefasst, aber das Geschrei, welches aus den Gemächern seines Vaters durch die ganze Burg dröhnte, beunruhigte ihn. Er hatte Blair noch nie so erlebt, darum kehrte er in die Halle zurück, um zu erfahren, was Payton und Sean von der ganzen Sache hielten. Wem waren sie mehr verpflichtet? Ihrem Vater, der noch immer der Laird war, oder Blair, dem sie Treue geschworen hatten?
„Sitzt hier nicht rum! Macht euch fertig, wir reiten in einer Stunde mit Cathal!“, brüllte Blair, der wütend die Halle durchschritt und genau auf ihn zukam. Kyle konnte nicht rechtzeitig ausweichen.
„Und du, hau’ ab!“, drohte Blair ihm und stieß ihn zur Seite.
„Kommt Kyle denn nicht mit?“, fragte Sean, der eben erst von seiner morgendlichen Waffenübung zurückgekehrt war und deshalb den Streit nicht mitbekommen hatte.
Kyle sah den verächtlichen Blick, den Blair ihm zuwarf, als er Sean antwortete: „Nein, vorlaute Kinder kann ich nicht gebrauchen!“
Damit eilte er hinaus in den Hof, und Kyle erhob sich verärgert. Zornig kehrte er an den Tisch zurück, wo sein Humpen Bier inzwischen von Sean geleert wurde.
„Und jetzt?“, fragte er. „Was machen wir jetzt?“
Ratlose Gesichter sahen ihm entgegen. Payton stand die Sorge um Samantha ins Gesicht geschrieben, und Sean zuckte hilflos mit den Schultern.
„Ich reite mit Blair“, erklärte Payton schließlich und fuhr sich durch die Haare. „Ich will so bald wie möglich mit Cathal über Sam sprechen. Vater wird bei ihm in der nächsten Zeit keinen guten Stand haben, aber wenn ich heute mit ihm ziehe, hört er sich meine Bitte vielleicht an.“
„Ich komme auch mit. Zum einen, weil Blair es befohlen hat, und zum anderen muss jemand versuchen, die Wogen zwischen ihm und Vater zu glätten. Er wird auf mich hören, wenn klar ist, dass wir seinem Urteil trauen“, schloss sich Sean an.
„Und ich? Was soll ich tun? Soll ich etwa wirklich hierbleiben?“, fragte Kyle ungläubig.
Seine Brüder nickten einstimmig, und Sean legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Lerne dich zu zügeln, denn du hast ihm deinen Gehorsam geschworen. Wenn wir zurück sind, solltest du die Sache aus der Welt schaffen. Ich habe gehört, dass er eigentlich vorhatte, Vater von seiner Verlobung mit Nathaira zu berichten. Du solltest also allmählich anfangen, dich mit deiner
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