The Cut II – Gefährliche Leidenschaft (German Edition)
nicht aussprechen zu lassen, Sir Henry!“ Ich war auf 180 und mein irisches Temperament kam voll zum Einsatz. Meine Finger klebten förmlich am Tisch und ich wog in diesem Moment zwei Zentner, so geladen war ich.
„ Es besteht keinen Grund dazu, dass Sie mich so unverfroren kritisieren, ohne mich überhaupt zu kennen. Um auf die Anspielung meiner Frisur zurückzukommen: Mir gefallen Ihre Haare auch nicht.“ Ich sah, wie er sich an seine Haare griff und sie versuchte noch glatter zu streichen, als sie eh schon waren. Mühsam unterdrückte ich ein Grinsen, das zu meiner Wut nicht gepasst hätte. Aber es gefiel mir, denn er sah scheiße aus. Aber ich war noch nicht ganz fertig mit ihm, setzte noch eines oben drauf. „Und zweitens, gehen Sie die Geschäfte zwischen Ihrem Vater und mir überhaupt nichts an, dass wir uns da mal richtig verstehen!”, beendete ich meine Moralansprache einem Halbwüchsigen gegenüber, der gemeint hatte, er müsste vor mir den Grafen mimen.
Henrys Gesicht klappte nach vorne. Was Philipp dachte, wusste ich in diesem Moment nicht, war mir ehrlich gesagt auch ziemlich egal. Ich aber war mit mir durchaus zufrieden.
Endlich hatte ich mich in diesem sterilen, widerlichen und absolut unsympathischen Haus durchgesetzt. Zwar bekam ich keine Antwort von ihm, aber Philipp meldete sich zu Wort.
„ Richtig, ich kann Mister Miller da nur zustimmen, es geht dich nichts an. Und unhöflich warst du zu ihm auch noch. Ich kann dich nicht in Schutz nehmen und werde es deinen Lehrern mitteilen, dass sie mehr auf dein Benehmen achten sollen. Im Übrigen werde ich mit Mister Miller nach London fahren. Iss jetzt gefälligst deinen Teller auf!” Und so hatte Philipp mir im Grunde den Rücken gestärkt und seinen eigenen Sohn bloßgestellt. Vor wenigen Augenblicken hätte ich eher gedacht, er würde mich in der Luft zerreißen, weil ich seinen Filius verbal angegriffen hatte. Ich wurde eines Besseren belehrt.
„ Mister Miller … Mister Miller … Mister … Ach, und was ist mit mir? Keiner mag mich, noch nicht einmal mehr Oliver … Ihr könnt mich alle mal!“ Ein Klirren des Bestecks, ein verächtliches Schnauben, ein kurz darauffolgender umgeworfener Stuhl und schon sah ich seinen Sohn wütend davonbrausen.
„ Henry, bleib hier! … Auch dass noch!“ Philipp rief ihm hinterher, war aber nicht gewillt ihm nachzulaufen. Ich hörte nur das Zuknallen der Tür.
Gespannt wartete ich ab, was Philipp als Nächstes unternehmen würde. Ich war noch nie in eine Familienkrise hineingeraten, das hier war für mich absolutes Neuland. Philipp steckte seinen Löffel ruhig, aber bestimmend in seinen halb aufgegessenen Pudding. Philipp musste sich zusammen nehmen. Da ich stand, konnte ich ihn richtig ansehen. Seine Halsschlagader war überdeutlich hervorgetreten.
„ Ich sag dir eines …“ Er sah mich an. „Kinder sind nicht nur ein Segen, nein, das ganz bestimmt nicht. Entschuldige mich kurz.” Er wischte sich mit seiner Serviette über den Mund, stand vom Tisch auf und warf, ein wenig wütend, sein Mundtuch neben den Nachtisch. Dann ging er mit schnellem Schritt seinem Sohn hinterher.
Wieder war ich alleine. Der Schokopudding stand noch im selben Zustand vor mir. Meine Finger umgriffen die Jacke, die an der Stuhllehne hing.
Ich hatte tatsächlich Philipps Sohn kennengelernt. Nur für mich persönlich war es zu früh gewesen. Das Ganze in zwei Tagen zu verkraften, war zu viel verlangt. Zudem seinem Sohn weiszumachen, wir seien Geschäftspartner. Ich war mit der Situation überfordert.
Oh Philipp, ob das auf Dauer gut geht?
Ich seufzte schwer.
Als was für ein Geschäftspartner sollte ich denn auftreten? Etwa als Teilhaber seiner Rennbahn oder Inhaber seines Pubs? Der Schwindel würde auffliegen, so oder so. Ich griff nach meiner Jacke. Unter vorgehaltener Hand fing das Personal sofort mit Flüstern an. Anscheinend war das ebenfalls eine Todsünde, die Jacke hier über die Stuhllehne zu hängen und sie wieder an sich zu nehmen.
Verloren stand ich herum, kam mir in diesem Haus noch mehr deplatzierter vor. Wie ein Eindringling, um es genauer zu beschreiben und im Prinzip war ich das auch. Nervös kaute ich daher auf meiner Unterlippe herum und spielte an einer Haarsträhne. Was hatte meine Lippe alles aushalten müssen? Sie fühlte sich penetriert an. Kein Wunder. Das Personal räumte inzwischen den Tisch ab. Es hatte gemerkt, dass keiner mehr das Essen anrühren wollte, oder hatte es die Anweisung dafür
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