The Cutting
gespielt?«
»Kann sein, aber ich weiß nicht, ob sie überhaupt so weit gedacht hat.«
»Ich glaube, ich sollte mal mit ihr reden …«
»Ja. Das solltest du. Aber vielleicht nicht gerade jetzt. Sie hat sich im Moment ganz gut im Griff.«
»Und was soll ich zu ihr sagen?«
»Nimm einfach ein bisschen Rücksicht auf ihre Gefühle. Sag ihr, dass mit dir alles in Ordnung ist, und lass sie spüren, dass sie dir wichtig ist. Wenn sich die ganze Aufregung wieder ein bisschen gelegt hat, dann kannst du ein tiefer gehendes Gespräch mit ihr führen. Ich bringe sie jetzt übrigens gleich zur Schule. Will vorher nur noch schnell duschen. Ich war ja auch die ganze Nacht wach.«
Casey saß in der Küche und aß eine Schale Cheerios. Er ließ sich ihr gegenüber auf einen Stuhl sinken.
»Neues Haarband?«, erkundigte er sich, als er das orangefarbene Stoffband bemerkte, das ihr die Haare aus der Stirn hielt.
»Ja. Sarah und ich haben welche gemacht. Ihre Mom hat uns gezeigt, wie es geht. Ich hab noch zwei andere.«
»Sieht gut aus.«
»Ist ganz einfach. Man näht den Stoff einfach zu einem Schlauch zusammen und schiebt dann das Gummiband mit einer Sicherheitsnadel durch. Dann muss man bloß noch die Enden vernähen.« Sie nahm das Haarband ab und zeigte es ihm.
»Cool.« Er zog es sich selbst über den Kopf. »Wie sehe ich aus?«
»Nicht. Du leierst es doch aus.« Sie streckte die Hand aus und zog es ihm wieder vom Kopf. »Geht’s dir gut?«, sagte sie dann.
»Mir geht’s gut. Konntest du denn noch schlafen?«
»Nicht so richtig. Maggie ist mitten in der Nacht weggegangen. Sie hat gesagt, dass sie zu dir muss. Dann ist Jane hergekommen.«
»War das in Ordnung?«
»Irgendwie wollte ich, dass jemand da ist. Ich hab bei ihr im Bett geschlafen. Wo warst du denn?«
»Oben in Gray. Da habe ich eine Zeugin verhört. Und dann im Cumberland Medical.«
»Ist jemand verletzt worden?«
»Ja.« Er ersparte ihr die Einzelheiten.
»Wo ist dein Gewehr?«
»Das habe ich in der Zentrale gelassen.«
»Okay.«
»Es war wichtig, dass ich da war.«
Casey schaute ihn eine Minute lang forschend an. »Okay«, sagte sie dann.
Er griff nach ihrer freien Hand.
»Nicht«, sagte sie und zog sie weg.
Jetzt erst merkte er, wie ausgehungert er war. Bis auf Maggies Doughnuts und eine Gabel Lasagne hatte er fast vierundzwanzig Stunden lang nichts gegessen. Er nahm sich eine Schale und schüttete ein paar Cheerios hinein, kippte Milch darüber und fing an zu essen. »Hast du nochmal darüber nachgedacht, ob du deine Mutter sehen willst?«
»Ja. Viel.«
»Und, wie denkst du jetzt darüber?«
»Du hast doch gesagt, ich muss.«
»Ich glaube schon. Vom Gesetz her hat sie das Recht dazu. Wie geht es dir damit?«
»Ich weiß auch nicht. Sie kommt am Freitag?«
»Ja. Sie holt dich nach der Schule hier ab. Sie möchte mit dir übers Wochenende nach Boston fahren. Wahrscheinlich in irgendein schickes Hotel. Vielleicht ins Theater oder ins Konzert.«
»Na toll.« Schweigen. »Und sie ist richtig reich?«
»Ihr Mann ist reich.«
Casey hatte ihre Cheerios aufgegessen, brachte die Schale zur Spüle und wusch sie aus. »Er heißt Peter?«
»Ja, genau.«
»Und weiter?«
»Ingram.«
»Ist er mein Stiefvater?«
»Nur wenn du es so empfindest.«
»Ich empfinde überhaupt nichts für ihn. Ich kenne ihn ja nicht einmal. Er kommt doch nicht mit, oder?«
»Ich glaube nicht. Nur Sandy.«
»Wieso habt ihr mich eigentlich genauso genannt wie sie?«
»Sie wollte es so.« Eine kleine Verlängerung ihrer selbst, dachte McCabe. »Aber eigentlich habt ihr ja gar nicht den gleichen Namen. Du bist Casey. Sie ist Sandy.«
»Bist du so weit?« Jane stand in der Tür.
»Wir heißen aber beide Cassandra«, sagte Casey. »Ihr werdet euch doch nicht um mich streiten, oder? Du und Mom?«
»Ich hoffe nicht. Ich werde mir jedenfalls Mühe geben. Ich weiß natürlich nicht, wie sie das sieht.«
»Ihr seid ja schließlich die Erwachsenen.«
»Ja, so sieht es wohl aus.« Er nahm sie fest in den Arm. »Ich hab dich lieb.« Er wollte nicht, dass sie wegging. Nicht nach Boston. Und im Augenblick nicht einmal in die Schule.
»Dad, ich muss los.«
»Ich weiß. Toi, toi, toi.«
»Ich hab dich auch lieb«, sagte sie, drehte sich um und rannte die Treppe hinunter.
Er rief Sandy in New York an.
»Hallo, McCabe. Ist Casey bereit für Freitag?«
Er war sich nicht sicher, ob ›bereit‹ das richtige Wort war. Aber er erwiderte: »Du kannst sie am Freitag
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