The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
habe schließlich selbst ein Geheimnis zu wahren. Wenn ich irgendwem von ihm und mir erzähle, wissen alle Bescheid. Und ich bin ja auch dumm gewesen – ich hätte wissen sollen, was er für einer ist, nach allem, was er Fräulein Josephine angetan hat. Aber ich habe ihm vertraut. Verstehst du?«
»Du bist dir deiner Sache also wirklich absolut sicher?«
»Ja«, sagte Peony. »Ich schwöre dir, wenn du es dir anders überlegt hättest, dann hätte ich zu drastischen Mitteln gegriffen. Kann zwar schiefgehen, aber das wäre auch nicht viel schlimmer, als mich gleich umzubringen, oder?«
»Selbstmord ist keine Alternative.«
»Du bist ja hier. Ich werd’s schon überleben.«
In ruhigen, klaren Worten erklärte sie Peony, was auf sie zukam. Die Blutung würde heftig sein und eine Weile dauern, aber auch nicht endlos. Dazu kämen Krämpfe, Durchfall und Übelkeit. Vielleicht würde sie auch etwas schwitzen, sie sollte aber eigentlich kein Fieber bekommen. Der Embryo würde mit allem anderen ausgeschieden werden und so winzig sein, dass Peony es gar nicht mitbekam.
»Eins musst du aber noch wissen«, sagte Gaia. »Es besteht die sehr geringe Möglichkeit, dass du daran stirbst. Wenn die Blutung zu stark wird oder du dir eine Entzündung zuziehst, werde ich so gut wie nichts für dich tun können.«
»Ich vertraue dir«, sagte Peony.
»Das hat nichts mit Vertrauen zu tun«, korrigierte Gaia sie. »Es ist eine reale Gefahr. Ich habe so was noch nicht gemacht – dafür war immer meine Mutter zuständig. Ich bin mir zwar ziemlich sicher, was die Kräuter und die Mengen angeht, aber ich könnte mich auch irren.«
»Du verstehst nicht«, sagte Peony. »Ich würde jede noch so kleine Chance ergreifen. Ich kann dieses Baby einfach nicht haben.«
Gaia verknotete die Finger und horchte das letzte Mal in sich hinein, darauf, was ihr Herz ihr riet.
»Du selbst würdest das niemals tun, nicht wahr?«, frage Peony.
Ein tiefer Kummer rann langsam und dunkel wie Melasse durch Gaia hindurch. »Nein«, sagte sie, »das würde ich nicht. Für mich wäre das Leben meines Babys jeden Preis wert, selbst wenn ich es weggeben müsste. Zumindest glaube ich das – aber ich war noch nie in deiner Situation. Hör zu, Peony: Gerade weil ich selbst so eine klare Meinung dazu habe, respektiere ich auch, dass diese Entscheidung nur von dir getroffen werden kann. Du bist die Einzige , die die richtigen Entscheidungen für deine Familie treffen kann.«
»Meine Familie«, flüsterte Peony.
Gaia stand auf. »Ich würde ja bei dir bleiben, aber dann wüssten alle Bescheid.«
Peony nickte. Ihr Blick ruhte düster auf der Tasse.
»Das Honigbrötchen ist für hinterher«, sagte Gaia. »Der Geschmack ist furchtbar.«
»Wie schnell fängt es an?«
»Ziemlich schnell.«
»Und wann ist es vorbei?«
»Gegen Morgen.«
Mehr konnte sie nicht tun. Sie wollte schon zur Tür, da packte Peony sie plötzlich mit kalten Fingern.
»Bleib nur noch eine Minute, bis ich es getrunken habe«, bat sie.
Gaia drückte ihre Hand. »Gut.«
Sie schaute zu, wie Peony die Tasse nahm und an die Lippen führte. Sie zögerte kurz, ganz starr vor Angst, schließlich hob sie die Tasse und leerte sie in einem Zug. Das Brötchen rührte sie nicht an. Dann vergrub sie ihr Gesicht in den Kissen, und Gaia verließ leise den Raum.
7 In Ketten
Gaia fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Zwei Stunden später schlich sie zurück, um nach Peony zu sehen, und als sie später Geräusche im Bad hörte, genauso. Bei Anbruch der Dämmerung wollte sie abermals zu ihr, doch die ersten Frauen standen schon auf, und sie hatte Angst, dass jemand sie bemerken und die richtigen Schlüsse ziehen könnte.
Angespannt wartete sie aufs Frühstück. Nach und nach tauchten die Mädchen aus ihren Zimmern auf. Peony war die Letzte. Sie war blass, schaffte es aber, sich so weit zusammenzureißen, dass sie keine Aufmerksamkeit erregte. Das war es dann also. Sie hatte es durch die Nacht geschafft. Gaia konnte endlich die Bilder ihres blutüberströmten Betts verdrängen, mit der ihre Fantasie sie gequält hatte, und entspannte sich.
»Alles in Ordnung?«, fragte Lady Roxanne.
Gaia zupfte an ihrem Pullover. Es war kein kühler Morgen, doch ihr war kalt. »Ja. Ich bin bloß ein wenig müde.«
»Ich habe dich gewarnt. Du arbeitest zu viel.«
»Es geht schon. Ich glaube, ich mache nachher einen kleinen Spaziergang.« Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, hier eingesperrt zu sein.
»Ich dachte, du
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