The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
weg …
Lady Roxanne erwartete sie auf der Veranda. »Wo bist du gewesen? Wir haben nach dir gesucht. Die Matrarch möchte dich sprechen.«
»Ich möchte auch mit ihr sprechen«, sagte Gaia. Das Gefühl der Hilflosigkeit war mittlerweile heißem Zorn gewichen. »Wo ist sie?«
»Auf deinem Zimmer.«
Gut , dachte Gaia, riss die Fliegengittertür auf und stürmte nach drinnen, vorbei an den jungen Mädchen mit ihren Büchern, dann den Flur vor der Küche hinab, wo Norris bei der Arbeit war, und auf ihr Zimmer.
Die Matrarch stand vor Gaias vergittertem Fenster und hielt das Gesicht in die Sonne. Ihren roten Stock hatte sie senkrecht in der Hand.
»Wie lange ist Leon schon hier?«, rief Gaia. »Wieso habt Ihr mir nicht Bescheid gesagt?«
Die Matrarch wandte sich um. Auch ihr stand Wut ins Gesicht geschrieben. »Schließ die Tür«, sagte sie mit unheilvoller Ruhe.
In Gaias Brust rangen Zorn und Verwirrung, doch die unnachgiebige Präsenz der Matrarch ging ihr durch Mark und Bein und ließ ihr keine andere Wahl. Gaia schloss betont leise die Tür.
»Ihr müsst ihn unbedingt freilassen. Jetzt gleich«, sagte Gaia.
»Und du musst mir das hier erklären.« Die Matrarch deutete auf Gaias Tisch, auf der eine schmutzige Kiste stand. Sie war aus Holz, hatte einen Deckel und war mit großer Sorgfalt hergestellt – die Art von Kiste, die einen ein Leben lang begleitete und in der man vielleicht Geschenke oder Andenken aufbewahrte. Davon abgesehen aber war nichts Auffälliges daran; sie hätte jedem gehören können.
»Ich habe diese Kiste noch nie gesehen«, sagte Gaia.
»Wirf einen Blick hinein.«
Gaias Herz begann heftig zu klopfen, und beim Anblick der Erdspuren am Holz begann sie zu begreifen: Die Kiste war vergraben gewesen. Die Matrarch wartete auf eine Antwort. Gaia trat zum Tisch und hob den Deckel. Im Inneren lagen ein paar ordentlich gefaltete Tücher, dunkel von getrocknetem Blut, darauf ein zierlicher Strauß blauer Kornblumen, die gerade erst zu welken begonnen hatten. Sie sog scharf die Luft ein und wich zurück.
»Einer der Jungen, Sawyer, hat sie heute Morgen im Garten gefunden. Ihm war eine frisch umgegrabene Stelle unter dem Apfelbaum aufgefallen.«
Gaia fühlte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich.
»Erklär mir das«, sagte die Matrarch.
»Offenbar habt Ihr den einzig logischen Schluss schon gezogen: Jemand hatte eine Fehlgeburt und hat sie beerdigt.«
»Wer war es?«
»Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ich Euch das sagen würde – selbst wenn ich es wüsste.«
Der Stock der Matrarch schlug so hart auf den Boden, dass Gaia zusammenzuckte.
»Spiel jetzt keine Spielchen mit mir. Ich habe dir eine Frage gestellt.«
Gaia wich zurück und stieß gegen den Schaukelstuhl. »Und ich gebe keine Antwort darauf.«
»Letzte Nacht hast du etwas in der Küche zusammengemischt«, sagte Matrarch. »Man konnte es noch heute Morgen riechen, doch Norris hat sich nichts dabei gedacht, bis ich ihn um eine Erklärung bat. Mit den Sachen in der Vorratskammer kann ich nicht viel anfangen – offensichtlich hast du aber Fortschritte mit deinen Zutaten gemacht, und es sieht ganz danach aus, als ob du gestern irgendeine Art von Gift zubereitet hättest.«
»Die Zubereitung von Arzneien gehört zu meinen Aufgaben«, rief Gaia ihr ins Gedächtnis. »Ihr wolltet doch, dass ich mich um die Schwangeren in Sylum kümmere. Genau das tue ich auch.«
»Hast du jemand bei einer Abtreibung geholfen? War es ein Mädchen aus dem Mutterhaus?«
»Wenn jemand medizinischen Rat bei mir sucht, dann ist das absolut vertraulich«, sagte Gaia.
Die Matrarch biss die Zähne zusammen. »Ich verbitte mir diesen Ton.«
»Ihr wolltet, dass ich mich um die Schwangeren kümmere. Ihr hättet wissen sollen, dass auch dies Teil meiner Arbeit ist. Wieso habt Ihr mir nichts von Leon erzählt?«
»Das Thema ist noch nicht beendet.«
»Für mich schon. Ich muss jetzt zu ihm zurück – ich muss herausfinden, ob er schon die Schwellenkrankheit hatte.«
»Er hatte sie noch nicht.«
»Habt Ihr mit ihm geredet?«
»Natürlich. Ich muss mit jedem Neuankömmling reden.«
»Warum habt Ihr mir dann nichts gesagt? Das verstehe ich nicht – er sah aus, als hätte er nicht einmal gewusst, dass ich hier bin.«
»Er wusste es. Er kam, dich zu suchen.«
Gaias Verwirrung nahm nur noch zu. »Ihr hättet es mir sagen sollen!«
»Du warst ans Bett gefesselt und kaum bei Sinnen. Er war gewalttätig und gefährlich. Ich hatte nicht erwartet, dass er
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