The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
schon«, sagte die Matrarch. »Wirst du mir jetzt sagen, wem du abzutreiben geholfen hast, und mir versprechen, es niemals wieder zu tun?«
Leon bedeutete Gaia viel mehr als Peony. Das war gar keine Frage. Aber in ihrem Herzen wusste sie, dass sie den Schwangeren helfen musste – egal wie. Sie war Hebamme. Deshalb war sie in der Enklave der Hingerichteten gefolgt, und das war es auch gewesen, was sie tief in der Nacht zu Josephine getrieben hatte. Es war ein Teil von ihr. Durfte sie das einfach aufgeben, selbst wenn es für Leon war?
»Ihr verlangt, dass ich ein anderer Mensch werde«, sagte Gaia.
»Vermutlich schon«, erwiderte die Matrarch kalt.
Gaia kam es vor, als wäre aller Sauerstoff aus dem Zimmer gewichen. »Und wenn nicht?«, fragte sie. »Wenn ich einfach aufstehe und gehe?«
Die Matrarch griff kurz nach dem Monokel um ihren Hals. »Dann verlieren wir die beste Hebamme, die wir wahrscheinlich je haben werden. Ein Glück, dass wir uns noch nicht zu sehr an dich gewöhnt haben.« Sie wandte sich zur Tür.
»Damit zwingt Ihr mich doch nur zur Heimlichtuerei!«, protestierte Gaia. »Was kommt als Nächstes? Gitter vor allen Fenstern? Eine Wache vor jeder Tür, rund um die Uhr?«
»Du bist deine eigene Wache«, sagte die Matrarch. »Es ist ganz einfach: Wenn du auch nur einen Fuß vor die Tür setzt, ein einziges Mal, beweist du damit, dass du mein Vertrauen nicht wert bist – und das war es dann. Und glaube mir, ich werde davon erfahren.«
»Was macht das denn für einen Eindruck? Wie wollt Ihr es den anderen erklären?«
»Überhaupt nicht. Die Mädchen werden sich schon denken, dass ich dir eine Zeit der Besinnung verordnet habe. Es wäre nicht das erste Mal.«
»Ach ja?«, höhnte Gaia. Ihr fiel wieder ein, was Dinah über die Methoden der Matrarch erzählt hatte. »Und was hat es genutzt?«
»Früher oder später haben bislang alle eingelenkt, denn irgendwann erkennt jeder, was das Beste für ihn ist – und auch du wirst das erkennen.«
»Das glaube ich kaum. Ihr werdet diejenige sein, die ihren Fehler noch einsieht.« Doch die ruhige Selbstsicherheit der Matrarch machte Gaia ungeheure Angst, und Zweifel überkamen sie. »Lasst es mich Leon und Will wenigstens erklären.«
Die Matrarch schien kurz darüber nachzudenken, doch dann schüttelte sie den Kopf. »Ich werde ihnen ein einziges Mal etwas von dir ausrichten. Danach wirst du mit niemandem außerhalb des Mutterhauses mehr reden. Also, was soll ich ihnen bestellen?«
Gaia konnte kaum fassen, wie ihr geschah, doch an dieser starrköpfigen Frau gab es einfach kein Vorbeikommen.
»Sagt Will, dass es mir leidtut. Ich wollte ihn nie in Schwierigkeiten bringen.«
Die Matrarch hob eine Braue. »Und Vlatir?«
»Sagt Leon …« Ihr versagte die Stimme, und alle Kraft wich aus ihren Gliedern. Sie sehnte sich so sehr nach ihm. Und mit kalter Gewissheit wurde ihr klar, dass dieser Ort ihn vernichten würde. Sie sah ihn vor sich, zusammengekettet mit Malachai. Es hatte bereits begonnen. »Bitte, Mylady. Gebt Leon ein Pferd und ein paar Vorräte und lasst ihn gehen, ehe die Schwellenkrankheit ihn befällt. Sagt ihm, dass es mir leidtut. Sagt ihm, dass er nie aus dem Gefängnis kommen wird, wenn er hierbleibt. Er verdient die Wahrheit.«
Die Matrarch ging mit ihrem Stock zur Tür. »Ich werde ihm gestatten, wegzugehen«, sagte sie. »Wenn er das will. Und nun bring diese Kiste zur Küche und sag Norris, dass Sawyer sie wieder vergraben soll, wo er sie gefunden hat.«
8 Eine Zeit der Besinnung
Sie hörte nichts mehr von Leon, und sie hatte furchtbare Angst um ihn, wusste sie doch nicht einmal, ob er Sylum verlassen hatte, und auch die Matrarch kam nicht mehr vorbei. Von Will, Dinah oder ihrer Schwester gab es ebenfalls so gut wie keine Neuigkeiten, und Gaia wurde bald klar, dass dieser Informationsentzug nur eine weitere Wand war, eine Mauer des Schweigens, die sie gefangen hielt.
Zwar zog sie eine gewisse Befriedigung daraus, dass Peony nach wie vor ihrem normalen Leben im Mutterhaus nachging, aber sie sprachen nie ein Wort miteinander, auch wenn sie Peony ein paarmal dabei erwischte, wie sie zu ihr hersah. Gaia besuchte die Schule im Atrium. Die Tochter der Matrarch, ein selbstsicheres blondes Mädchen mit sportlicher Figur, behandelte Gaia betont höflich, alle anderen aber gingen ihr aus dem Weg. Offensichtlich war ihnen bewusst, dass sie in Ungnade gefallen war. Besinnung, von wegen , dachte Gaia. Ich stehe unter Hausarrest.
Nach der
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