The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
Tochter Taja und Peony zu den Spielen begleitest«, sagte die Matrarch. »Zieh dir etwas Hübsches an. Lass dir vielleicht von Norris die Haare schneiden. Angeblich sollst du ein wenig unordentlich aussehen. Zuerst aber bring mir eine schöne Kanne Eistee hinaus auf die Veranda – ich treffe mich dort mit ein paar Ladys und hätte gerne, dass sie sehen, wie du das Mutterhaus verlässt.«
Gaia entging nicht der Hintersinn: Die Matrarch wollte die Schwesternschaft sehen lassen, dass sie gewonnen und Gaia sich ihrem Willen gebeugt hatte. Sie fühlte sich bloßgestellt und erniedrigt.
»Ich brauche bloß noch einen Moment in der Küche.«
»Mit Minze«, fügte die Matrarch hinzu. »Ich mag Minze.« Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern drehte sich um und verließ das Zimmer.
9 Brüder
Wie benommen lief Gaia den Flur hinab zur Küche. Norris rollte gerade Pastetenteig auf dem großen Holztisch aus.
»Es ist vorbei«, sagte sie. »Die Matrarch hat mich freigelassen.«
Norris unterbrach seine Arbeit und warf ihr einen prüfenden Blick zu. »Und du freust dich darüber«, stellte er fest.
Sie fühlte überhaupt nichts.
Sie schaute nach draußen, wo die Sonne hell auf den herbstlich grünbraunen Garten schien. »Sie möchte einen Krug Eistee für sich und die Ladys auf der Veranda«, sagte sie. »Mit Minze.«
»Nun, die Minze wird hier nicht von selbst reinspaziert kommen«, erwiderte Norris. »Ich fange schon mal mit dem Tee an.«
Sie ging wortlos zur Tür und stieß das Fliegengitter auf. Einen Moment hielt sie inne, als das Oktoberlicht auf ihre Hand fiel. Sie streckte auch die andere Hand aus und drehte und wendete sie im Licht, dann trat sie die zwei Stufen hinab in den Garten. Zum ersten Mal seit Wochen fiel ihr wieder Sonne auf Gesicht und Schultern. Nie zuvor war ihr aufgefallen, dass Wärme ein Gewicht hatte. Tief atmete sie ein und roch den erdigen Duft des Gartens. Noch immer wartete sie darauf, Freude zu empfinden.
Irgendwo in der Ferne bellte ein Hund. Sie ging zum Gartentor und legte ihre Hände auf das raue, sonnenwarme Holz. Hinter dem Zaun wartete die Welt auf sie. Sie konnte Maya auf der Insel besuchen. Sie konnte jederzeit bei Will vorbeischauen. Heute Abend würde sie Leon treffen.
Doch noch immer regte sich nichts in ihr. Es war, als sei ihr Herz vertrocknet, sodass ihr Blut nur noch als Rinnsal durch ihre Adern tröpfelte.
Der volle, melodische Klang der Matinaglocke erfüllte die Luft. Ruhig führte Gaia einen Finger an die leere Stelle auf ihrer Brust, wo ihre Uhr sonst immer gehangen hatte.
Gerade als Gaia mit dem Tablett auf die Veranda trat, ritt eine Gruppe Männer vom Dorfplatz heran. Der Hund bellte noch einmal, ehe man ihm befahl, still zu sein. Die Matrarch stand mit ihrem roten Stock auf der obersten Stufe, neben ihr Lady Roxanne, die ihr etwas ins Ohr flüsterte.
»Was ist los?«, fragte Gaia.
»Die Grenzreiter bringen drei Neuankömmlinge«, sagte Lady Roxanne.
Ein junger, bärtiger Mann schwang sich vom Pferd. Dann klopfte er sich mit dem Hut den Staub von Hemd und Hosen und reichte einem Jungen die Zügel. Es war Chardo Peter. Gaia hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er sie im Ödland aufgegriffen und gerettet hatte, um sie dann vor der Matrarch in den Staub zu werfen.
Mit wiegendem Schritt trat er näher.
»Chardo! Wo hast du diese Leute gefunden?«, fragte die Matrarch.
»Im Westen, Mylady«, antwortete er. »Am Rande des Ödlands. Insgesamt sind es drei, aber ich bin mir nicht sicher, ob der eine durchkommt.«
Die Matrarch ging die Stufen herab und streckte die Hand aus. »Bring mich zu ihnen«, sagte sie, und Peter führte sie. In der Mitte der Gruppe saßen zwei Männer mit hinter dem Rücken gefesselten Händen. Ein dritter war in sich zusammengesunken und hatte die Hände am Horn festgebunden.
»Weshalb sind die Männer gefesselt?«, fragte Gaia.
Lady Roxanne trat neben sie und lehnte sich gegen einen der Verandapfosten. »Das sind Nomaden. Sie könnten gefährlich sein. Wir lassen sie gefesselt, bis die Matrarch Gelegenheit hatte, ihnen ein paar Fragen zu stellen.«
Gaia studierte die Männer. Sie hatte nie wieder etwas von ihrem Bruder, Jack Bartlett, gehört, der die Enklave kurz vor ihr verlassen hatte. Sie konnte nur hoffen, dass er irgendwie im Ödland überlebt hatte – vielleicht dank Nomaden wie diesen. Die beiden Männer in den Sätteln sahen müde und mitgenommen aus und waren von Kopf bis Fuß voller Staub. Sie trugen Schutzbrillen und
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