The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
Ihr war ganz schlecht dabei, sie verabscheute sich selbst, und ihr gefällter Stolz versuchte einmal mehr, wieder Wurzeln zu schlagen. Doch sie kämpfte ihre Gefühle nieder. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen: Sie war jetzt ein Wendehals. Ein Überlebenstyp. Eine Erwachsene.
»Unterhalten wir uns doch auf deinem Zimmer, wo wir ungestört sind«, sagte die Matrarch.
Unter den neugierigen Blicken der anderen Mädchen und Lady Roxannes durchquerten sie das Atrium und den Flur. Gaias Zimmer lag still, das Fenster war geschlossen, ihre Sachen lagen ordentlich an ihrem Platz.
Die Matrarch schloss die Tür hinter sich. »Du möchtest mir etwas sagen?«
Gaia schluckte schwer. »Es war Peony. Ich gab ihr eine Kräutermischung, die eine Fehlgeburt einleitete.«
Das Gesicht der Matrarch verriet Erleichterung, aber nicht den Hochmut der Siegerin. »Das war eine weise Entscheidung«, sagte sie. »Du wirst sie nicht bereuen.«
Gaias Brust schmerzte mit jedem Atemzug. »Ich bin sicher, da habt Ihr recht.«
»Du musst mir versprechen, dass sich das nie wiederholen wird«, fuhr die Matrarch fort. »Wenn ein Mädchen mit einer solchen Bitte zu dir kommt, sag mir das künftig.«
Gaia brauchte einen Moment, das zu verdauen. »Anstatt ihnen zu helfen, soll ich sie also verraten.«
Die Matrarch nickte. »Ja. Allerdings glaube ich nicht, dass noch allzu viele kommen werden, wenn sich erst einmal herumspricht, dass man dir nicht mehr vertrauen kann.«
»Und was würdet Ihr mit einem solchen Mädchen tun?«
»Ich würde dafür sorgen, dass sie alle nötige Unterstützung erhält, um ihr Kind auszutragen. Ich würde dich sie auch untersuchen lassen, wenn nötig.«
Gaia biss sich auf die Lippen und senkte den Blick. Dieser Schritt fiel ihr furchtbar schwer. Ein weiteres Stückchen ihrer selbst starb in diesem Moment. »In Ordnung.«
»Jetzt zu Maya«, fuhr die Matrarch fort. »Erkennst du an, dass sie jetzt zu ihrer neuen Familie gehört? Du wirst auch nicht versuchen, sie dort wegzuholen?«
Auch das hatte Gaia kommen sehen. »Ja. Ich gebe sie für immer auf. Ich darf doch aber zu ihr, nicht wahr?«
»Ich werde einen kurzen Besuch für dich einrichten«, sagte die Matrarch.
»Geht es ihr gut?«
Die Matrarch drehte den Stock zwischen den Fingern. »Ehrlich gesagt hat sie sich nicht ganz so entwickelt, wie ich gehofft hatte.«
Da bekam es Gaia mit der Angst zu tun. »Was meint Ihr damit?«
Die Matrarch schüttelte den Kopf. »Das wirst du schon sehen. Ich werde ihre Mutter fragen, wann ihr ein Besuch recht wäre, und es dich dann wissen lassen. Mach dir keine Sorgen, sie ist nicht in Gefahr – doch wir alle werden besser schlafen, wenn sie endlich etwas mehr Gewicht hat.«
Gaia fuhr sich mit der Hand durchs Haar, dann ließ sie sie kraftlos sinken. Du kannst nichts für sie tun , sagte sie sich.
»Und Leon? Werdet Ihr Leon freilassen?«, fragte Gaia.
Die Matrarch runzelte kurz die Stirn. »Willst du das wirklich? Vlatir ist ein sehr schwieriger und verwirrter junger Mann.«
»Ihr habt es versprochen.«
»Ich weiß«, sagte die Matrarch. »Und ich kann ihn jederzeit wieder verhaften lassen, wenn er das Gesetz bricht.« Sie atmete tief durch. »Heute Abend nach den Spielen lasse ich ihn frei. Bei der ganzen Aufregung wird es niemand bemerken, und mit ein paar Wachen mehr können wir ihn, wenn nötig, leicht wieder festnehmen.«
»Heute Abend also?«, fragte Gaia.
»Ja. Dann kannst du ihn sehen.«
Sie hätte sich freuen sollen, doch ein erdrückendes Gefühl der Einsamkeit fiel wie ein grauer Schatten über sie. Sie griff nach ihrer Uhr und zog sich langsam die Kette über den Kopf. Dann legte sie sie vorsichtig in die oberste Schublade ihrer Kommode.
»Was tust du da?«, fragte die Matrarch.
»Ich lege nur meine Uhr ab. Ich tue sie zu meinen übrigen Sachen.«
»Kümmere dich, so schnell es geht, um deine Kräuter und Arzneivorräte. Ab morgen schicke ich wieder die Schwangeren zu dir. Erst die Ladys, danach kannst du zu Fräulein Dinah und dich um die schwangeren Libbies kümmern.«
»In Ordnung«, sagte Gaia.
Die Matrarch lächelte. »Es tut gut, dich auf meiner Seite zu wissen, junge Gaia, und auf dich zählen zu können. Wirklich, das ist überaus erfreulich.«
»Ich bin froh zu dienen«, sagte Gaia.
Erst als ihr die Worte schon über die Lippen gekommen waren, fiel ihr auf, weshalb sie so vertraut geklungen hatten: Sie hatte sie häufig in der Enklave gesprochen.
»Ich möchte, dass du heute Abend meine
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