The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
und fuhr dann damit fort, den Blick über die Zuschauer schweifen zu lassen. Gaia machte sich zwischen Peony und Taja ganz klein. Sie hatte regelrecht Angst, von ihm entdeckt zu werden. Aus irgendeinem Grund wollte sie nicht, dass er sie so sah: herausgeputzt mit ein paar Freundinnen, auf ein spannendes Spiel aus.
Ein ganz in Schwarz gekleideter Schiedsrichter betrat das Feld, und die Spieler stellten sich in einer Reihe auf, die Gesichter zur Menge. Es waren athletische, starke und gut aussehende junge Männer, und Gaia wurde klar, worum es hier eigentlich ging: Vor ihnen standen die heiratsfähigen Männer Sylums. Sie strotzten nur so vor Selbstsicherheit, waren dem unausgesprochenen Ruf gefolgt, sich vor den Augen ihrer Familie und Freunde zu beweisen und ihre Kräfte zu messen. Keinem Mädchen konnten der Sinn dieser Geste oder all das Testosteron dort unten entgehen. Es kam in jeder ihrer Bewegungen zum Ausdruck, mochten sie auch noch so beherrscht oder beiläufig wirken.
Ein spontaner Applaus setzte ein und steigerte sich zu lautem Jubel, noch ehe die Sportler überhaupt etwas getan hatten. Das Archaische dieses Moments schlug auch in Gaia eine Saite an, und sie schaute wieder zu Leon hin.
Er hatte sie entdeckt. Er regte keinen Finger, doch inmitten all des Durcheinanders und Tumults saß er allein vollkommen still, eine machtvolle, zentrierte Kraft, die auf Gaia gerichtet war. Die Zeit stand still.
Dann schaute er weg.
Gaia merkte, dass sie zu atmen vergessen hatte, und schnappte nach Luft. Unwillkürlich griff sie nach Peonys Arm.
»Reiß dich zusammen«, flüsterte Peony.
Der Schiedsrichter hob die Hand, und ein großer Mann mit langen, braunen Locken trat heran und stellte sich in einen weißen Kreis zu seiner Linken.
»Das ist Larson Harry. Er ist der erste Kapitän der Nackten«, erklärte Taja. »Die Larsons sind Zimmerleute. Tüchtige Leute.«
In einer schwungvollen Bewegung zog Larson sein Hemd aus und warf es einem herbeilaufenden Jungen zu.
»Und der Kapitän der Hemden – was für eine Überraschung! – ist Walker Xave«, sagte Taja.
Gaia spürte, wie Peony erstarrte. Ein glatt rasierter, blonder Mann bezog Position auf einem X zur Rechten des Schiedsrichters.
»Ist das der Vater von Fräulein Josephines Baby?«, fragte Gaia.
»Nicht nach seiner Version«, antwortete Taja trocken.
Xave schützte seine Augen vor der Sonne und präsentierte sich der Menge. Sein Gehabe war der Inbegriff der Selbstverliebtheit, doch er erntete stürmischen Applaus.
»Jetzt wählen sie ihre Mannschaften«, fuhr Taja fort. »Jetzt zeigt sich, wer gegen wen spielt.«
Das Publikum begann, die Namen seiner Lieblingsspieler zu rufen. Die Kapitäne wählten immer abwechselnd einen Spieler, der sich neben sie stellte. Wer mit nacktem Oberkörper spielte, warf sein Hemd ein paar bereitstehenden Jungen zu.
»Chardo Peter«, rief Xave, als er zum vierten Mal drankam.
Peter zerzauste seinem Bruder Will im Vorübergehen das Haar und lief dann zu Xaves Mannschaft. Sein rotes Hemd leuchtete inmitten der blauen, grünen und gelben Hemden der anderen. Er stand auf einem Bein und lockerte das andere. Es sollte beiläufig und entspannt wirken, doch als er die Arme über den Kopf hob und streckte, wurde deutlich, unter welcher Anspannung er stand. Dieses Spiel musste ihm sehr wichtig sein.
Eine laute Stimme in der Menge rief immer beharrlicher den Namen ihres Lieblingsspielers. Andere Stimmen unterstützten sie, wieder andere buhten, und bald entstand ein kleiner Tumult.
Der Schiedsrichter, ein untersetzter Mann mit schmalen Schultern und dicken Waden, verzog keine Miene. Er deutete lediglich auf den betreffenden Bereich der tobenden Menge, und schon setzten sich ein paar Wachen in Bewegung.
»Ist ja gut, wir haben’s kapiert!«, rief Norris von hinten. »Klappe halten, ihr Spinner!« Gelächter breitete sich aus, und schon schlug die Stimmung um. Die Wachen verzogen sich, und der Schiedsrichter widmete sich wieder dem Spielfeld.
Gaia machte große Augen. »Ist das immer so?«, fragte sie.
Peony kam dicht an ihr Ohr, damit sie nicht so schreien musste. »Einmal gab es einen richtigen Aufstand. Deshalb haben wir jetzt so viele Wachen.«
In diesem Moment wurde Will fürs nackte Team gewählt. Gemächlich legte er sein Hemd ab. Seine Schultern waren kräftig, sein Oberkörper schlank, und er stemmte eine Faust in die Hüfte. Sie dachte daran, wie er den Sarg gebaut und mit wie viel Respekt er Bennys Leiche behandelt
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