The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
von den Mohnlilien kommt«, fügte sie hinzu. Sie griff wieder nach der Feder. »Die kochen ja praktisch den ganzen Tag in der Sonne – und wir atmen es von früh bis spät. Das heißt, wir kriegen die ganze Zeit eine geringe Dosis davon ab. Könnten wir denn alle miasmasüchtig sein, ohne es überhaupt zu wissen?«
»Überleg doch mal, wie es war, als wir herkamen«, sagte er. »Wir mussten uns an die Luft erst gewöhnen – doch danach hatten wir gar keine Symptome mehr. Jeder hier, von Kindheit an, hat sich an die Luft gewöhnt.«
»Und Maya – wie schlecht es der Armen auf der Insel ging!«
»Das Miasma ist dort draußen wahrscheinlich noch stärker.«
»Ich glaube, meine Großmutter hat deshalb so viel über den Sumpf in Erfahrung bringen wollen, weil sie nach einem Mittel gegen die Abhängigkeit suchte.«
»Wahrscheinlich schon. Aber die Sucht erklärt nicht den Mädchenmangel«, warf Leon ein. »Die ganzen X und Y auf der Karte sind wahrscheinlich die Geburtshäuser von Jungen und Mädchen. Sie hat versucht, auch da ein Muster zu finden.«
»Die beiden Dinge müssen ja nicht zwangsläufig miteinander zu tun haben. Die Sucht hält die Leute hier fest – aber etwas anderes macht die Mädchen zu Jungs …« Sie griff wieder nach dem Brief an ihre Eltern.
»Was hast du da gerade gesagt?«, fragte er langsam. »Über die Mädchen?«
»Dass beide Probleme verschiedene Ursachen haben könnten.«
Sie nahm schon die Feder, um die nächste Spalte Buchstaben zu übertragen, doch Leon griff nach dem Tintenfass und schob es außer Reichweite.
»Was weißt du darüber?«, fragte er. »Was weißt du über die Mädchen?«
Er starrte sie an.
Zu spät erkannte Gaia, dass sie sich verplappert hatte. »Ich habe da so eine Theorie«, wich sie aus.
»Dann lass mal hören.«
»Ich glaube, dass etwas die Mädchen in Jungs verwandelt. Vielleicht sind noch irgendwelche Hormone im Sumpf, aus den Zeiten der Fischfarm – etwas, das an Konzentration gewinnt, je mehr Wasser verdunstet, oder das in den Boden gelangt ist und von da aus langsam ins Grundwasser sickert. Wäre so etwas denkbar?«
»Es gab hier eine Fischfarm?«
Sie nickte. »Ziemlich lange sogar.«
Leon schaute nachdenklich drein. »Mache Fischfarmen haben Hormone eingesetzt, sodass nur noch männliche Fische geboren wurden. Auf die Art waren alle etwa gleich groß und ließen sich leichter verarbeiten. In der Enklave haben wir überlegt, etwas Ähnliches mit den Hühnern zu machen, haben es aber aufgegeben. Nicht praktikabel.« Er spielte gedankenverloren mit dem Tintenfass. »Könnten die Mittel, die ursprünglich für Fische gedacht waren, jetzt auch die Menschen beeinflussen? Schwierige Frage. Die Unfruchtbaren könnten theoretisch Männer mit zwei X-Chromosomen sein. Es müsste aber ziemlich früh passieren, noch im Mutterleib. Sie würden als Jungen geboren, von den Chromosomen her aber weiblich sein. Dadurch würden sie unfruchtbar.«
»Würden sie immer noch wie Männer aussehen?«, fragte sie. »Bloß eben mit weiblichen Organen?«
Er tat sich schwer mit der Antwort. »Kann schon sein. Aber das ist alles graue Theorie, will ich hoffen. Oder etwa nicht?«
Sie konnte Will und was sie bei der Autopsie herausgefunden hatten, nicht verraten. »Was ich auch weiß … Es ist vertraulich.«
Leon lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Maya war in seinen Armen mittlerweile eingeschlafen. »Ein Geheimnis«, sagte er. »Du hütest ein Geheimnis, das von entscheidender Bedeutung sein könnte. Du verrätst Peony an die Matrarch – aber mir willst nicht verraten, was du über die Unfruchtbaren weißt.«
Sie rutschte verlegen auf ihrem Stuhl herum. »Ich kann nicht. Und es ändert auch nichts – es ist eine Sackgasse. Es gibt keine Möglichkeit, den Effekt der künstlichen Hormone umzukehren – oder doch?«
»Nein. Von der Art von Unfruchtbarkeit kannst du niemanden heilen – und wenn es im Wasser ist, ist es überall, in der ganzen Umwelt, und du kriegst es auch nie wieder raus. Was, wenn ich versprechen würde, es niemandem zu verraten?«
Sie zögerte, dann schüttelte sie entschieden den Kopf. »Ich kann einfach nicht. Ich habe es versprochen.«
»Erst ein Geheimnis, und jetzt ein Versprechen«, wiederholte er. »Dir ist schon klar, dass ein Versprechen ein gewisses Maß an Ehrlichkeit voraussetzt. Gäbe es denn auch Geheimnisse von mir, die du niemandem verraten würdest?«
»Natürlich.«
»Zum Beispiel?«
Sie zögerte, weil sie keine alten
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