The Doors
der Album-Charts gelangte, und das ein Jahr später herausgebrachte The Soft Parade , das Platz sechs erreichte, die beiden vor Morrison Hotel erschienenen Alben, waren schlechte Scherze gewesen, egal, auf wessen Kosten der Scherz gehen mochte – und von seinem fulminanten Auftakt abgesehen, war Morrison Hotel auch nur ein langweiliger, vager Ringelreigen ins Nirgendwo. Waiting for the Sun – irgendeine mystische Sonne vielleicht, denn in Los Angeles wartet man nicht auf die Sonne, es sei denn, man wartet darauf, dass der Smog verschwindet, doch dann wartet man womöglich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. The Soft Parade – zu Beginn gab es Anklänge an den Sound einer Parade, doch anschließend war das Album vor allem eins: soft. Beide Platten quollen über von Worten, bei denen nicht zu ergründen war, warum sie gesungen wurden oder warum sie überhaupt erst geschrieben worden waren. Die Musik dudelte sinnlos über gebrochenen Beats dahin, und die Melodien waren so verstümmelt, so ungelenk, dass Jim Morrison fast die ganze Zeit über so klang, als hielte er eine Rede oder, genauer gesagt, eine Ansprache, mit der er sich nicht so sehr an die imaginären Horden der die Herrschaft übernehmenden Fünf-zu-eins-Generation wandte, sondern eher an die Mitglieder eines Rotary Clubs. »Tell All the People« eröffnete The Soft Parade – »Sag allen Leuten«, dass sie vom Kauf dieses Albums absehen sollen! Der Song stammte von Robby Krieger, und Morrison hörte sich so an, als hätte er sich einen Sack über den Kopf gezogen, damit niemand erkennen konnte, wer diese Nummer sang. Das Album strotzte von einfallslosen, schrillen Bläsersätzen, zu denen sich auch noch die Klänge eines Streichorchesters gesellten; das machte die Musik nicht besser, und es machte sie nicht schlechter.
Die Musik schien ihre eigene Sinnlosigkeit zu erkennen; beinahe alles klang bemüht, angestrengt, fast schon leblos. Bei den Proben zu The Soft Parade stolperte die Band in sechs befriedigende Minuten hinein, in deren Verlauf sie durch eine reizvolle, angenehme Melodie kreiste, wobei Morrison irgendwo im Hintergrund, fernab vom Mikrofon, herumschrie, während im Vordergrund Mariachi-Klänge erschollen – die Stimmung in einer Cocktail-Lounge, wo alle zu betrunken sind, um noch etwas mitzubekommen, aber wo die Band sich mit einem Mal irgendwie interessiert zeigt – so wie die gelangweilte, müde, angewiderte Barband in Diner plötzlich zum Leben erwacht, als sich ein Lokalgast ans Klavier setzt und ein Glissando in die Tasten hämmert, als sei er Jerry Lee Lewis persönlich. Wie sich herausstellte, spielten die Doors »Guantanamera«. Doch diese Performance war auf keinem der beiden genannten Alben enthalten, sondern lediglich etwas, was Jahrzehnte später in Gestalt eines Bonus-Tracks auf einer Wiederveröffentlichung auftauchte. Die Nummer, die den Geist der beiden Alben am deutlichsten zum Ausdruck brachte, war »Easy Ride«, ein Track von The Soft Parade , der so etwas wie das von den Doors fabrizierte Gegenstück zu Elvis Presleys legendärem »Do the Clam« war, das als die schlechteste Platte gilt, die Elvis machen konnte, zumindest vom Konzept her – und wer konnte das noch toppen? Konnte jemand eine noch schlechtere Platte machen? Die Doors versuchten es; man konnte den Selbsthass hören, der aus den Songs triefte wie Schweiß – das heißt, wenn man so masochistisch veranlagt war, dass man sich diese Alben tatsächlich von A bis Z anhörte. Denn was waren Waiting for the Sun und The Soft Parade denn anderes als die Doors-Versionen von Soundtrack-Alben zu Elvis-Filmen wie Roustabout oder It Happened at the World’s Fair ?
Es gab allerdings eine Nummer, die nicht in dieses Umfeld passte, die von einem völlig anderen Album zu stammen schien. Das auf Waiting for the Sun enthaltene »My Wild Love« war ein Waldgesang, der sich mit jedem wortlosen, zweimal nacheinander intonierten Hah-hah-hah-hah-hah-hahn tiefer in die Vergangenheit zurückzuziehen schien. Der Song verströmte den gleichen heidnischen Rauch wie Josef Škvoreckýs 1963 erschienene Novelle Legende Emöke, in der ein Mann in einem tschechischen Kurheim eine mystisch veranlagte Frau kennenlernt, die weiß, wie man Bäume anbetet. Das drei Minuten lange »My Wild Love« war sehr viel experimenteller als das siebzehnminütige phallisch-umweltbewusste »The Celebration of the Lizard«, das die Band damals bei ihren Konzerten zum Besten gab und auch im Studio aufnahm, als ein
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