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The Doors

The Doors

Titel: The Doors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greil Marcus
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ich werde dir jetzt die gottverdammte Wahrheit erzählen« – und er vernuschelt die Wörter, als hätte er den Mund voller Kieselsteine – » Money beats soul, every time! « Und in diesem Stil geht es noch eine Zeit lang weiter.
    Ein weiterer Take von »Roadhouse Blues«. John Densmore versieht die Musik diesmal mit einem Drive, den sie vorher nicht gehabt hat. Sein Sound ist pure Entschlossenheit – ein Sound, der irgendwie nicht zurückgenommen werden kann, jeder Beat ein Schritt auf einer Reise, die sich nicht mehr ungeschehen machen lässt. In Kriegers Gitarrenspiel liegt eine Zuversicht, die die Musik emporhebt, die jedem ein Fundament verleiht, von dem aus er aufsteigen kann. Morrison schreit seine Worte heraus, klar und deutlich: »Keep your eyes on the road, your hands upon the wheel« – wobei das »wheel« nach unten gezogen wird, was ein Gefühl der Gefahr erzeugt, und die Verwendung des förmlichen »upon«, statt des üblichen »on«, reißt die Geschichte aus der Gegenwart heraus und befördert sie in irgendeine Vergangenheitszukunft, wo die Regeln, welche auch immer das sein mögen, nicht die sind, die man gewohnt ist. Krieger spielt eine paar lange, klare Läufe – eine ungeheure Präsenz. Morrison kehrt wieder zu »Baby Please Don’t Go« zurück, aber nur für einen Augenblick, so als wolle er sich zurechtfinden, bevor er die Band bittet, es langsamer angehen zu lassen, zu warten.
    In der auf Schallplatte veröffentlichten Version wird die Musik regelrecht in Scheiben geschnitten, Messer fahren in den Song hinein, und jeder Einstich, jeder Schnitt lässt ihn stärker, größer werden, macht ihn mehr zu einer Sache an sich, zu etwas, was keinen Irrtum zulässt. Die Geschichte, die der Song erzählt, ist einfach. Da ist ein Rasthaus an der Straße. Die Leute gehen dorthin, um sich zu betrinken, um sich zu amüsieren, um jemanden abzuschleppen. Hinter dem Rasthaus gibt es ein paar Hütten. Die Aufforderung zu Beginn des Songs – »Keep your eyes on the road, your hands upon the wheel« – ist so deutlich, so unmissverständlich, dass man beim Zuhören beinahe die Augen zusammenkneift, den Blick auf die Straße gerichtet hält und nicht vom Gas runtergeht, um dieses Rasthaus zu erreichen, bevor es zu spät ist, bevor die Band ihre Instrumente bereits eingepackt hat und die Hütten alle belegt sind. Das Schlagzeug hält die Musik zusammen, während die Gitarre in die eine und der Sänger in die andere Richtung aufbricht. »In musikalischer Hinsicht, als Gitarrist, ist Robbie viel versierter als ich«, sagte Morrison im Sommer 1969 zu Jerry Hopkins, »das heißt, in puncto Akkordwechsel, hübsche Melodien und so weiter – das, was ich mache, kommt eher vom Blues her: also diese langen, ausufernden, rudimentären, primitiven Sachen.« Im gesamten Œuvre der Doors sollten diese beiden Pole nie eine intensivere, angenehmere Spannung erzeugen, als sie es bei dieser Performance taten. Jeder Moment ist ein kompletter Song: eine Geschichte, die auf der Stelle gefunden wird, die mittendrin beginnt, deren Ausgang völlig offen scheint, eine Geschichte, die sich in jede Richtung entwickeln kann. Aus dem Nichts ertönt ein Aufruf: » SAVE YOUR CITY! SAVE YOUR CITY! «
    Am 2. Mai 1970, in Pittsburgh, hämmert sich die Band in den Song hinein. Es ist die vierte Nummer ihres Sets, und sie werden sieben Minuten benötigen, um den Song zu umschmeicheln und zu bedrohen, um ihn auf jede erdenkliche Weise dazu zu zwingen, alle Geheimnisse preiszugeben, die er zu offenbaren vermag, die er offenbaren soll, und das Drama entfaltet sich, als Morrison – mit einer bereits verzweifelten, übernatürlich vollen, jede Zeile ausdehnenden Stimme – in den brodelnden Sumpf des Songs hinabsteigt, in den Ort ohne Worte. Er verschwindet im Rachen der Musik und singt »you gotta cronk cronk cronk sh bomp bomp cronk cronk eh hey cron cronk cronk ado a hey che doo bop dag a chee be cronk cronk well rah hey tay cronk cronk see lay, hey« – das zieht er eine ganze Minute lang durch. Es ist schwerer, als es aussieht. Mit jedem Takt dieser zusammenhangslosen Silben erhöht sich der Druck, das Vergnügen wird tiefer, die Ausgelassenheit größer, die Freiheit realer, kostbarer – die Befreiung von Worten, von Bedeutung, vom Song, von der Band, von Hits, vom Publikum, von der Polizei, vom Gefängnis, vom Ich –, und dieses Hochgefühl wird mit Sicherheit verschwinden, sollte man bei der nächsten Kurve den Blick nicht auf die

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