The Doors
auch, den Klauen des gegenwärtigen Moments zu entrinnen.
»End of the Night«, The Doors (Elektra, 1967). Eine affektierte, gewisperte Demoversion von 1965 – bis zum großen Finale voller stimmlicher Effekte wie aus einem Gruselfilm –, die man getrost vergessen könnte, gäbe es da nicht diese verlockende Mundharmonika von Ray Manzareks Bruder Jim, die auf den Song hindeutet, den die Band, damals noch ohne Robby Krieger, allenfalls ansatzweise gefunden hatte. Siehe die mit »Without a Safety Net« betitelte CD des Doors Box Set (Elektra, 1997).
Ed Sanders: The Family: The Story of Charles Manson’s Dune Buggy Attack Battalion , Dutton, New York 1971 (dt. The Family: Die Geschichte von Charles Manson und seiner Strand-Buggy-Streitmacht, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1972); kurz nach der Veröffentlichung wurde Sanders gezwungen, ein erschreckendes Kapitel über die Process Church of the Final Judgement zu entfernen. Siehe auch die aktualisierte Neuausgabe, The Family: The Manson Group and Its Aftermath , New American Library, New York 1989 (dt. The Family: Die Geschichte von Charles Manson , Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1995).
Roadhouse Blues
ALS ICH an einem Tag im Jahr 2011 das Radio einschaltete, lief dort gerade ZZ Tops »Sharp Dressed Man«. So wie die Doors werden ZZ Top oft im Radio gespielt, auf vielen Sendern – doch alles, was man von ihnen zu hören bekommt, stammt aus einem einzigen Jahr, 1983, und von einem einzigen Album: Eliminator. Das ist ein knallhartes, humorvolles Album, mit Billy Gibbons’ Gitarre als einem Führer zu dem Netz von Höhlen, das sich unter der gesamten Erdoberfläche erstreckt – obwohl die beste Single von ZZ Top, das 1990 erschienene, nie im Radio gespielte »My Head’s in Mississippi«, nicht auf Eliminator enthalten war. Es scheint so, als sei dieser Song komponiert und gesungen oder, falls der Sänger nicht bereits das Bewusstsein verloren hatte, geträumt worden, während er in der Toilette einer Bar, die natürlich The Longhorn hieß, mit dem Kopf in einem Klosettbecken steckte, um sich auszukotzen. Ob er das bereits getan hat oder noch nicht, wenn er den Mund öffnet, um seine Worte von sich zu geben, dann dreht sich der Raum noch immer, doch wenigstens dreht der Typ sich jetzt ebenfalls: Im Grunde möchte er nirgendwo anders sein. Über ihm schwebt ein nacktes Cowgirl wie eine Wolke unter der Decke des versifften kleinen Kabuffs entlang. Er kann sein Glück nicht fassen.
Ich stellte einen anderen Sender ein und landete mitten in ZZ Tops »Got Me Under Pressure«, einem Eliminator -Track, der zehnmal härter ist als »Sharp Dressed Man«. Der Schluss – bei dem Gibbons Flüsse überspringt und sich durch Felsengebirge hindurchfräst – wird auf eine so deliriöse Weise in seine eigenen, sich überschneidenden, abgehackten Rhythmen hineingesogen, dass ich anfangs gar nicht registrierte, wie das Radio ohne Pause zu einem anderen Song überwechselte – zu einer Nummer, die so sehr nach einer Geisterversion von Eliminator klang, dass ich sie nicht sofort als »Roadhouse Blues« erkannte.
Es hörte sich so an, als spielten sie alle, ZZ Top und die Doors, in ein und derselben Band. »Roadhouse Blues« kam 1970 heraus, als B-Seite des blassen »You Make Me Real«, einer Nummer, die es nicht in die Top 40 schaffte. Während der folgenden vierzig Jahre entwickelte sich »Roadhouse Blues« zu einem Hit, und als ich es jetzt im Radio hörte, wirkte es tiefer und stärker, neu. Verglichen mit Billy Gibbons – der nun mit seiner verzerrten Gitarre und seiner verzerrten Stimme gegen die Blechtür der Bar hämmert, in der die Doors spielen – klingt Jim Morrison rau und heiser.
So wie es das Album Morrison Hotel 1970 eröffnete, war »Roadhouse Blues« ein Tornado: wild, kompromisslos, schnell, laut, knallig, ja, es haute einen förmlich um. Man musste nicht den dahintersteckenden ästhetischen Ehrgeiz hören oder die Verzweiflung, das Elend, das die voranstürmende Band verfolgte wie ein schlechtes Gewissen. Die Nummer war aufregend, mitreißend. War man ein Fan der Doors, so sagte man sich womöglich: Endlich haben sie wieder zu ihrer wahren Musik zurückgefunden, auch wenn sie bis dahin noch nie eine dermaßen fetzige Nummer aufgenommen hatten. Was den Song mehr als vier Jahrzehnte lang hat überdauern lassen, was ihn nach wie vor reizvoll macht, das steht auf einem anderen Blatt geschrieben.
Das im Juni 1968 veröffentlichte Waiting for the Sun, das an die Spitze
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