The Doors
darauffolgenden Tages aufs Geratewohl das wohlhabende Ehepaar Rosemary und Leno LaBianca als ihre nächsten Mordopfer herauspickten und dass sie HEALTER SKELTER an die Wände der LaBianca-Wohnung schmierten, nach dem Beatles-Song, den Manson als einen Aufruf zur Apokalypse entschlüsselt hatte; und genauso wenig spielte es eine Rolle, dass die Beach Boys Anfang 1969 die D. Wilson/Charles Manson zugeschriebene Nummer »Never Learn Not to Love« in ihr Album 20/20 aufgenommen hatten oder dass dieser Song ursprünglich den Titel »Cease to Exist« trug. Die spezifischen Details der Verbrechen schienen so nachdrücklich auf eine andere Wirklichkeit zu verweisen, dass sich die Leute auf diese Details stürzten, als seien sie ein Beweis dafür, dass die Verbrechen, in einem gesellschaftlichen Sinn, nicht real waren; die Verzweiflung, mit der die Leute die grässlichen Fakten fetischisierten, strafte ihre Beteuerung, dass das Ganze nichts mit ihnen zu tun habe, Lügen.
In »The End« lauern noch schlimmere, weniger offenkundige und gewöhnlichere Verbrechen als die, die der Sänger begeht, wenn er seinen Vater ermordet und seine Mutter vergewaltigt; deshalb sind die wirklich beängstigenden Textzeilen die, in denen der Sänger die Zimmer seiner Geschwister betritt und wo man nicht weiß, ob er sich nur vergewissern will, dass sie schlafen, oder ob er sicherstellen möchte, dass die beiden nie mehr aufwachen. Aber selbst das war zu deutlich skizziert, zu direkt. Die wirklichen Höhlen in der Performance lagen in den Verzögerungen, in den wellenförmigen Bewegungen des Rhythmus, in der makellosen Schönheit von Jim Morrisons Tonfall, wenn er seine Stimme bestimmte Wörter bilden ließ – »nights«, »die«, »limitless«, »hand« – oder wenn eine von ihm geschriebene Textzeile eine Zuversicht, eine Weitsicht von ihm zu verlangen schien, die eine dermaßen schöne Phrasierung hervorbrachte, dass die fragliche Zeile an einem vorüberschweben und ein Gefühl von Frieden, nicht von Krieg hinterlassen konnte: »The end of everything that stands.«
Im Sommer 1969 hörten sich die Leute wieder ihre Doors-Alben an, und sie sagten sich: Ja, es war alles darin enthalten . Stimmt, es war darin enthalten, unter anderem. The Doors of Perception? Nein, die Türen, um die es in Wahrheit ging, hatten nichts mit Wahrnehmung zu tun. Was der Name der Band zu bedeuten hatte, ging aus dem ersten Track ih-res Debütalbums hevor: »Break on Through (To the Other Side)«. Das war kein großer Song. Trotz seiner gekonnt inszenierten, mitreißenden Rock-’n’-Roll-Power war er so eindimensional wie ein Antikriegs-Protestsong. Aber »Break on Through« meinte, was es sagte, und das war ein Teil dessen, was man vorfinden würde, wenn man die Türen einschlug.
»Die Doors hätten in Monterey dabei sein sollen«, sagte der Discjockey Tom Donahue von KMPX , dem in San Francisco ansässigen FM-Sender, der das Album The Doors wie einen Werbespot ausgestrahlt hatte, seitdem es sechs Monate zuvor herausgekommen war – er sagte das nach dem Abschluss des Monterey Pop Festivals im Juni 1967, als er sich fragte, warum die Doors nicht daran teilgenommen hatten, obwohl das im Grunde nicht verwunderlich war. »This is the Love Crowd!«, hatte der arme, noch nicht tote Otis Redding bei seinem Auftritt in Monterey gejubelt; die Doors zählten nicht zu den sich an Love & Peace berauschenden Scharen. Sie hätten nichts präsentieren können, was quälender gewesen wäre als Big Brother and the Holding Companys »Ball and Chain«, aber Janis Joplin und ihre Jungs waren nette, offenherzige Hippies mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht, auch wenn zwei von ihnen an der Nadel hingen.
Am Wochenende vor dem Monterey Pop Festival waren die Doors beim KFRC Fantasy Fair and Magic Mountain Festival aufgetreten, einer auf dem Mount Tamalpais in Marin County abgehaltenen Veranstaltung, die ein örtlicher Sender auf die Beine gestellt hatte, um für ein echtes San-Francisco-Festival zu sorgen, mit dem man den hinter dem Monterey Festival steckenden Plattenmoguln aus L. A. die Stirn bieten wollte. Die Doors traten mitten am Nachmittag auf, bei strahlendem Sonnenschein, zusammen mit den Seeds, einer Garagenband, die in den kommenden Jahren wegen ihres primitiven Minimalismus gefeiert werden sollte, der den Geist des Punk noch vor den Stooges einfing, und mit Every Mothers’ Son, einer öligen, binnen Kurzem vergessenen Band mit einem Hit namens »Come On Down to
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