Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Doors

The Doors

Titel: The Doors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greil Marcus
Vom Netzwerk:
My Boat«.
    Es war mitten am Nachmittag, die Sonne strahlte noch hell, doch als die Doors auf der Bühne standen, schien es so, als würde eine Wolke über das Festivalgelände ziehen. Nach dem schnellen Offbeat-Rhythmus der Seeds-Nummer »Pushin’ Too Hard« wirkte die Hälfte der Doors-Nummern wie von der Welt abgeschnitten, gestrandet. Ich weiß nicht mehr, ob sie an jenem Tag »End of the Night« gespielt haben; vermutlich nicht, denn das taten sie nur im Ausnahmefall. Doch es ist dieser Song, der mehr von der Geschichte, die dann folgen sollte, enthielt als jeder andere Song der Doors – »End of the Night« tastete im Dunkeln nach dieser Geschichte, wie ein Maulwurf im Erdboden.
    Zu Anfang könnte »End of the Night« die Impressions-Nummer »Gypsy Woman« sein: ein absteigendes Crescendo von Robby Krieger, das die Lichter ausschaltet, und drei darauf antwortende Töne von Ray Manzarek, die besagen, dass er schon die ganze Zeit darauf gewartet hat. Wie so oft kann man in Manzareks Orgelspiel Erinnerungen an die zu nachtschlafender Zeit ausgestrahlten Horrorfilm-Marathons im Fernsehen hören oder, noch direkter, an die Musik aus den früher im Radio ausgestrahlten Krimiserien, und diese Erinnerungen werden auf der Stelle transzendiert: Sobald man eine der Anspielungen erkannt zu haben glaubt, führt einen die Musik woandershin, näher an Jody Reynolds’ »Endless Sleep« zum Beispiel, doch wie immer ist das, was Manzarek spielt, langsamer als das mögliche Vorbild, bestimmter, entschlossener, fatalistischer, mit nichts und niemandem im Frieden.
    Binnen weniger Sekunden befindet sich der Song unter Wasser. Morrison schwimmt durch ihn hindurch, Zug um Zug, wobei er den inneren Gezeitenstrom zwischen seinen Fingern spürt. Die absteigende Gitarrenfigur wiederholt sich, bis sie in einem Trommelwirbel von John Densmore aufzubrechen beginnt.
    Das Herz der Performance ist die Stelle, wo Morrison schlicht und einfach den Titel des Songs singt, in aller Ruhe, vier Mal hintereinander, zuerst in der Mitte der Nummer, dann noch einmal an deren Ende. Wenn er die Formulierung »end of the night« zum vierten Mal singt, bildet sie ein einzelnes Objekt, das sich auflöst, während er es singt, so als sei es nie da gewesen, als seien die ihm vorausgehenden klareren, festeren Artikulationen der Formulierung Phantome. »End of the night end of the night end of the night end of the night«: Das ist ein Totenschädel, den er ins Licht emporhalten kann, bis im Innern von Blakes »Auguries of Innocence« klar und deutlich »The Tyger« zum Vorschein kommt.
    |||
    KNAPP EINE WOCHE nach dem fünffachen Mord am Cielo Drive Nr. 10050 begann in White Lake, New York, eine Veranstaltung, die sich »Woodstock Music and Art Fair: Three Days of Peace and Music« nannte. Hätte die Welt damals gewusst, dass die zerschlitzten Leichen Sharon Tates und ihrer Hausgäste auf das Konto einer Hippie-Kommune gingen, einer Gruppe, die in Woodstock zweifellos willkommen und zu Hause gewesen wäre, so wäre die Berichterstattung über die vierhundertfünfzigtausend Köpfe zählende Hippie-Kommune, die sich vorübergehend in Woodstock zusammenfand, möglicherweise nicht so überschwänglich gewesen. Doch so schauten die großen Tageszeitungen voller Neid und Ehrfurcht auf die Friedfertigkeit dieses Festivals, dessen Besucherzahl in etwa der Anzahl der seinerzeit in Vietnam stationierten amerikanischen Soldaten entsprach. Das Magazin Life brachte sofort eine Sonderausgabe heraus, und der erlauchte Publizist Max Lerner war voll des Lobes und sprach von einem »Wendepunkt in dem Bewusstsein, das die Generationen voneinander und von sich selbst haben«. Die Woodstock-Legende blieb rein und unverdorben. Die Verbindung zu Manson wurde nie hergestellt. Die Magie des Ganzen wurde auch nicht durch das unmittelbare, Ende 1969 veranstaltete Nachfolgefestival beeinträchtigt, das ursprünglich Woodstock West genannt wurde, aber dann als das Altamont-Desaster der Rolling Stones in die Geschichte einging. 1970 lief der Woodstock-Film weltweit im Kino. Bevor die Demonstranten auf dem Pekinger Tiananmen-Platz 1989 von Panzern niedergewalzt wurden, scharten sie sich um eine Nachbildung der Freiheitsstatue und bezeichneten den Tiananmen gegenüber Reportern als »unser Woodstock«.
    Die Doors waren auch in Woodstock nicht dabei. Sie waren eher am Cielo Drive Nr. 10050 präsent, schauten zurück von dem, was sie bereits gesagt hatten, und versuchten, so wie jeder andere

Weitere Kostenlose Bücher