The Doors
hervorbrachte, etwas, was das Bewusstsein ganz und gar ausblendete. Als sich die zerbrochenen, schwerfälligen Wörter abspulten wie ein DNA -Strang, war die Band wieder zurück im Wald und griff nach dessen Gesängen.
An diesem ersten Tag hämmern sie unentwegt an die Tür des Songs. Zuweilen hören sie sich so an wie eine Barband, lange nach Feierabend, in einem ansonsten menschenleeren Lokal. Der Rhythmus ist nie aus einem Guss, doch es gibt Momente, wo etwas, was noch kein Song ist, was vielleicht mehr als ein Song sein könnte, präsent ist, wie eine Geistererscheinung; dann ist es wieder nur ein mühseliges Gestolper. Jedes Mal wenn Morrison an die letzte Strophe, »Woke up this morning«, gelangt, schreckt er davor zurück. Warum singt er sie trotzdem immer wieder?
Am nächsten Tag ist die Situation eine völlig andere. Lonnie Mack, der große Bluesgitarrist aus Indiana, war kürzlich bei Elektra untergekommen; man kannte ihn damals vor allem wegen seiner 1963 veröffentlichten Version von Chuck Berrys »Memphis«, einer rein instrumentalen Erkundung jeder rhythmischen Schattierung des Songs, die das, was bei Berry wie ein simples, wenn auch merkwürdig stotterndes Stück Country-Musik gewirkt haben mochte, zu einem Labyrinth von verträumter Komplexität werden ließ. Mack hielt sich gerade in L. A. auf, und die Doors baten ihn, bei den Aufnahmen den Bass zu spielen. Seine Soulballade »Why« – in der letzten Strophe ein Herzanfall, den der Sänger zu seinem Bedauern überlebt – zählt zu den dramatischsten und schmerzvollsten amerikanischen Songs, die jemals aufgenommen wurden. Wahrscheinlich kannten die Doors diesen Song nicht, doch sie wussten, dass sie mit einem Mann im Studio waren, der, wie der Mississippi-Bluessänger Skip James einmal zu einem überschwänglichen Fan sagte, an Orten gewesen war, an die sie niemals gelangen würden. Andererseits waren sie an Orten gewesen, an die Lonnie Mack niemals gelangen würde. Die Doors mussten zeigen, ob sie mit Mack mithalten konnten, und umgekehrt.
Morrison – der sich in einem halb leeren Nachtclub oder auf Elvis’ verwaister Bühne befinden könnte und sich so anhört, als quatsche er irgendwelche Passanten auf der Straße an oder als belehre er jemanden aus seinem Gefolge im Studio – verbreitet sich in einem fort darüber, dass das Geld immer über die Seele triumphiere: »Money beats soul, every time.« Er scheint diese Erkenntnis zu einem Bestandteil des Songs gemacht zu haben oder die Zeile und deren Kostümierung – »Ladies and gentlemen, on this stage, for the first time in the Western world, we have: money beats soul, every time« – zu verwenden, um sich den Song vom Leib zu halten, den er singen muss, den Song, den er finden, realisieren und erproben muss.
Möglicherweise liegt es an Macks Anwesenheit oder an dem federnden Groove, den er zu entwickeln hilft, aber nun nimmt die innere Form des Songs, sein rhythmisches Gerippe, zum ersten Mal Gestalt an. Der Beat ist zum ersten Mal hart. Krieger kann seine Gitarre noch immer nicht in den Rhythmus integrieren, doch für sich genommen ist sein Spiel ein Ausdruck purer Freiheit, und es dauert nicht lange, bis er abhebt und zu fliegen beginnt. »Oh, I woke up« – trotzdem ist etwas an diesen Zeilen noch immer moralisch falsch, es gibt etwas darin, was Morrison von seinen eigenen Worten wegstößt, und er singt ohne Überzeugung, als sei das Ganze ein böser Traum.
Morrison verfällt wieder in einen Monolog – es gibt hier offenkundig zwei Songs, und einer davon wird weichen müssen, bevor der andere mit seiner eigenen Stimme sprechen kann. »Money beats soul«, konstatiert er zu den Klängen eines Nachtclubklaviers – der Lounge-Sänger, nachdem man ihn zum x-ten Mal darum gebeten hat, »Stardust« zu singen, betrunken, aber seine Worte sorgfältig artikulierend, denn vielleicht gibt es in dem Laden ja noch jemanden, den er aufs Glatteis führen kann. Er singt mit einschmeichelnder Stimme: »I-got-something-to-tell-you-about-your-soul.« Und dann ist Schluss mit Einschmeicheln: » Your soul ain’t worth shit! Deine Seele ist einen Scheißdreck wert! Weißt du, wie viel deine Seele wert ist? Deine Seele ist ungefähr so viel wert, wie du dafür auf der Wall Street bekommst, meine Liebe! Vielleicht hältst du mich jetzt für zynisch oder für gefährlich, weil ich dir das erzähle. Vielleicht denkst du, dass ich, nun ja, ein bisschen schwer zu ertragen bin – hey – hör mal, Puppe,
Weitere Kostenlose Bücher