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The Forest - Wald der tausend Augen

Titel: The Forest - Wald der tausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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Hund, der nicht älter sein kann als ein Jahr, sein Körper wächst gerade in die Pfoten rein. Der Hund purzelt auf den Boden und läuft ein paar Mal im Kreis herum, dann kommt er an und stellt sich mir wedelnd auf die Füße, sein Schwanz fegt Sachen von dem niedrigen Tisch hinter ihm. »Ein Hochzeitsgeschenk für dich, Mary«, sagt Harry und senkt den Kopf ein wenig, als ob ihm das peinlich wäre.
    Ich möchte lächeln. Ich möchte ihm danken. Aber ich schaue noch immer zur Tür und warte auf Travis.
    Harry streckt seinen rechten Arm aus. Schwester Tabitha nimmt ihn, lässt noch etwas Spielraum zwischen uns und wickelt das andere Ende des Bandes drei Mal um sein Handgelenk – mit der gleichen Abfolge komplizierter Knoten und Schwüre wie bei mir.
    Sie hält das Band, das uns verbindet, in der Mitte fest und rezitiert alte Gebete aus der Schrift. Als sie fertig ist, sagt sie: »Jetzt seid ihr gebunden.« Dann holt sie eine lange Klinge aus dem Korb, den sie mitgebracht hat. Sie legt sie auf den Tisch, neben die Schrift. »Dies ist eure letzte Gelegenheit, einander zu entsagen. Eure letzte Gelegenheit, das Band zwischen euch zu zerschneiden. Morgen legt
ihr das letzte Gelöbnis Ewiger Beständigkeit ab.« Und dann verlässt sie das kleine Haus und wir bleiben allein zurück.
    Harry dreht sich zu mir, und ich schaue auf den tapsigen Hund, der sich vor dem Feuer zusammengerollt hat. Er nagt an einem dünnen Scheit, das er aus dem Stapel neben der Feuerstelle gezogen hat. Harry nimmt etwas von meiner Wange und hält es mir hin, aber ich kann nicht erkennen, was es ist.
    »Wimper«, sagt er. »Wünsch dir was und puste, das bringt Glück.«
    Seine Ernsthaftigkeit erinnert mich an unsere Kinderzeit. Wie oft sind wir da gleich nach der Ernte über die Felder gerannt, die Luft war voller Sonne und es roch nach Leben. Ich erinnere mich an einen Nachmittag, an dem alle Kinder des Dorfes dort gespielt haben, wir haben uns durch das Labyrinth gejagt, das unsere Eltern ins Korn gemäht hatten.
    Da verirrten und verwirrten wir uns in der späten Nachmittagssonne, nichts war wichtiger auf der Welt, als uns Pfade entlangzuschlängeln, die nirgendwo hinführten, bloß zur Mitte des Feldes.Wobei ans Ende zu gelangen bei Weitem nicht so wichtig war wie der Weg dorthin.
    An diesem einen Nachmittag – ich kann damals nicht älter als acht gewesen sein – habe ich Harrys Hand genommen und ihn mit ins Labyrinth gezogen. Was haben wir gelacht, als wir durch die vielen Gänge gestolpert sind, als wir im Kreis herumliefen und in einer Sackgasse landeten. Und dann fing es an zu regnen, nicht genug, um
uns aus dem Labyrinth zu treiben, aber doch so viel, dass wir die Zungen rausstrecken und unseren Durst löschen konnten.
    Wir fanden eine Höhle neben dem Pfad, leicht zu übersehen, nur ein enger Durchschlupf, der auf eine kleine runde Lichtung führte mit nichts als weichem Klee, als wäre hier nie etwas gepflanzt worden, nie etwas anderes gesprossen.
    Das war ein Ort, an dem kein Regen fiel, an dem die Sonne immer noch schien.
    Ich weiß noch, wie Harry und ich uns bei den Händen nahmen und im Kreis herumwirbelten, bis uns schwindelig war vor Lachen und Kreiseln, und wie wir hinfielen und unsere Fingerspitzen sich eben noch berührten.
    Genau in diesem Augenblick brach der fantastischste Regenbogen durch und schien auf unsere kleine Kleehöhle. Alles um uns herum war Farbe und Licht. Ich erinnere mich noch daran, wie Harry den Kopf zu mir gedreht hat und wie ich mich zu ihm gedreht habe und wie er sagte: »Das bringt Glück, Mary. Für uns. Für immer.«
    Die Leidenschaft damals in diesem Alter, als er noch ein Junge war, ist dieselbe, die ich in Travis’ Augen gesehen habe. Dieselbe, die ich jetzt bei Harry sehe. Mir wird klar, dass ich wegen meines eigenen Schicksals so wütend auf Harry gewesen bin, als wäre er mein Feind, nicht der Freund, den ich schon immer gekannt habe. Jetzt begreife ich, dass sein Leben ebenso eingeschränkt ist wie meines. Dass wir beide über dieselben Regeln
stolpern und es vielleicht nicht fair von mir ist, ihm die Schuld an der Lage zu geben, in der wir uns jetzt befinden.
    Und ich knicke ein. »Ich will hier weg«, sage ich. Meine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern.
    Er schweigt, deshalb fahre ich fort. Jetzt, da ich das gesagt habe, muss ich einfach noch mehr sagen, ich kann nicht anders, ich muss die Worte aussprechen, die sich wie dunkle Gewitterwolken in meinem Kopf zusammengeballt haben, wo sie

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