The Hollow
letzten verzweifelten Versuch unternahm, dagegen anzugehen. »Ich versuche, mich zu wehren, aber es tut weh«, sagte ich. »Es lässt mich nicht los.« Zu dem Schmerz in meinem Kopf gesellte sich ein Schmerz in der Brust. Ich bekam keine Luft. Ich ging unter.
Seine Hand griff nach meiner und ich klammerte mich daran wie an eine Rettungsleine. Ich wollte, dass es aufhörte. Ich wollte nicht, dass es weiterging. Eine weitere Schmerzattacke folgte, eine weitere Angstattacke … und dann fühlte ich nichts mehr. Es war vorbei. Einfach so. Langsam schlug ich die Augen auf und sah, wie Caspian mich anstarrte. Seine Augen waren voller Mitgefühl.
»Es tut mir leid, Abbey. Es tut mir so sehr leid. Ich wusste nicht, wie schwer es für dich sein würde. Geht es dir gut?«
Ich blinzelte die Tränen weg und lachte zittrig. »Wow. Das war eine Erinnerungsreise, die ich nicht so schnell noch einmal machen möchte.«
Er drückte meine Hand und wir saßen schweigend da. Ich war dankbar, dass ich in der Stille meine Gedanken sortieren konnte. Er wartete und schaute mich alle paar Sekunden beunruhigt an.
»Ich bin okay, Caspian«, sagte ich schließlich, drückte seine Hand fester und sah ihm in die Augen. »Echt, ich bin okay.«
»Sollen wir aufhören, darüber zu sprechen?«, fragte er mich besorgt. »Ich will dir nicht noch mehr Kummer bereiten, Astrid.«
Dieser Name verdrängte alle anderen Gedanken. Ich straffte die Schultern. »Du kannst nichts dafür, Caspian. Du kannst überhaupt nichts dafür. Wenn es zu schwer für mich wird, dann gib mir einen Moment Zeit, um damit fertig zu werden, und dann ist es gut. Kristen hat es verdient. Sie hat es verdient, dass ihr Tod irgendeinen Sinn ergibt. Ich weiß, dass wir es … dass wir es gemeinsam schaffen werden.«
Es war das Mutigste, uns beide betreffend, was ich bisher zu ihm gesagt hatte. Ich hielt die Luft an und betete, dass mir seine Antwort nicht das Herz brechen würde.
»Abgemacht«, erwiderte er und schenkte mir sein wunderschönes Lächeln. Sein Daumen streichelte über meinen Daumen und mir wurde ganz warm ums Herz. Einen Augenblick sah er nachdenklich vor sich hin und dann fragte er: »Was war denn vor dem Traum? Hat Kristen sich merkwürdig benommen oder ist irgendwas Ungewöhnliches passiert?«
Ich ließ die Wochen vor ihrem Tod in meinem Kopf Revue passieren, aber es fiel mir nichts ein. »Ich kann mich an nichts Ungewöhnliches erinnern. Nichts Besonderes jedenfalls. Wir wollten zusammen Klamotten für die Schule einkaufen gehen, sobald ich zurück war, aber das war’s auch schon.«
»Seltsam«, grübelte Caspian und fuhr sich geistesabwesend mit der Hand durch die Haare. »Was wollte sie da am Fluss? Wollte sie spazieren gehen? Ist sie gestolpert und gefallen? Ich wünschte, ich wäre dort gewesen …«
»Als wir noch kleiner waren, haben wir uns gegenseitig versprochen, niemals nachts allein dorthin zu gehen, weil es zu gefährlich sein könnte«, sagte ich leise. »Keine Ahnung, warum sie sich nicht daran gehalten hat.« Ich starrte ins Leere und versuchte, eine Antwort zu finden. »Das werden wir wohl nie herausfinden.«
Ich schluckte einen plötzlichen Kloß in meiner Kehle hinunter und griff wieder nach seiner Hand. Er schien überrascht zu sein und schaute mich mit weit aufgerissenen Augen und klarem Blick an.
»Danke«, sagte ich. »Und danke, dass du letzte Nacht bei mir warst.« Das kam aus tiefstem Herzen und er reagierte mit einer kleinen Verbeugung.
»Genug jetzt«, sagte ich scherzhaft und drückte seine Hand. »Schluss mit diesem traurigen Thema. Wann wirst du mir sagen, dass dir meine Haare gefallen?« Ich schüttelte den Kopf, atmete tief ein und posierte wie ein schlechtes Model.
Er lachte und zog an einer der rot gefärbten Locken. »Ich mag deine Haare, Abbey. Aber viel wichtiger ist: Magst du meine?« Er fuhr mit den Fingern durch seine verstrubbelten Haare, bis sie sein ganzes Gesicht bedeckten, und dann blinzelte er mich mit einem kaum noch sichtbaren grünen Auge an.
Ich erwiderte das Kompliment, indem ich sanft an der schwarzen Strähne zog. »Das Schwarz mag ich besonders.«
»Die Strähne hab ich schon seit der dritten Klasse. Bei einem Kindergeburtstag bin ich fast im Pool ertrunken. Danach ist sie irgendwie so gewachsen.« Er zuckte lässig mit den Achseln und schaute weg, aber hinter dieser Bewegung verbarg sich eine Art Traurigkeit.
Er schüttelte die Haare zurecht und ich fragte mich kurz, welcher Haargott Jungs die
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