The Hollow
gewesen. Jetzt hatte ich das Gefühl, Frühstück, Mittagessen und Abendessen gleichzeitig zu brauchen.
Mit den Händen in den Hosentaschen trottete ich ein letztes Mal den Weg entlang, der zum Fluss führte. Eine letzte Runde. Ich würde noch einmal eine Runde an der Brücke drehen und dann würde ich verschwinden. Die Pizzeria unten in der Stadt lockte mich mit frischen, heißen Pizzastücken und dieser Verlockung wollte ich nachgeben.
Die Enttäuschung lastete schwer auf mir, als ich unter der Brücke nachsah und keine Spur von Caspian entdecken konnte. Er war nicht da. Langsam ging ich zurück auf den Hauptweg, bog aber statt wie sonst nach links nach rechts ab. Der Weg gabelte sich. Ich lief auf die andere Seite des Friedhofs zu und redete mir ein, dass es keinen speziellen Grund gab, warum ich diesen Weg nahm. Er führte aus dem Friedhof hinaus und auf die Pizza zu … irgendwann. Auf dieser Seite würde ich nicht nach Caspian Ausschau halten. Ganz bestimmt NICHT.
Ich war schon fast davon überzeugt, als ich plötzlich jemanden sah. Mein Herz raste, bis ich erkannte, dass es Nikolas war. Wieder war ich enttäuscht. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, musste aber verlegen feststellen, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte.
Vielleicht hatte ich irgendein seltsames Geräusch von mir gegeben, als ich mit offenem Mund dastand. Vielleicht hatte er aber auch nur gespürt, dass ich da war – jedenfalls drehte er sich plötzlich um und schaute in meine Richtung. Ein breites Grinsen ging über sein Gesicht und er hob eine Hand und winkte. Ich erwiderte das Lächeln und ging schneller.
»Hallo, Nikolas«, sagte ich beim Näherkommen.
Seine Haare waren vom Wind noch zerzauster als neulich, aber seine Augen blickten so warm und freundlich wie immer. Er begrüßte mich mit einem Kopfnicken. »Katy, schau mal, wir haben Besuch. Die junge Dame, von der ich dir erzählt habe«, rief Nikolas.
Ich blickte in die Richtung, in die er gesprochen hatte. Weiter unten am Weg legte eine ältere Frau eine einzelne Blume neben jeden Grabstein. Sie schaute zu uns herüber und ein Lächeln ging über ihr faltiges Gesicht. Ihr langes rotblondes, sanft gewelltes Haar war zusammengebunden. Sie trug einen altmodischen Rock, der eigentlich vollkommen unmöglich war, aber zu ihr passte er hervorragend. Sie bückte sich, hob ihren Korb auf und kam auf uns zu.
Nikolas streckte ihr seine Hand hin, als sie uns erreicht hatte. Sie drückte sie kurz und Nikolas stellte uns vor. »Das ist Abigail – äh, Abbey, mein Schatz.« Er wandte sich mir zu. »Und das ist meine Frau Katy.«
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, sagte ich. Ihre Augen glichen den seinen, freundlich und faltig um die Augenwinkel, aber von einem leuchtenden Blau. Noch leuchtender als meine.
»Wie schön, dich kennenzulernen, Abbey«, antwortete sie. »Nikolas hat mir erzählt, dass du ihm mit dem Grab von Mr Irving geholfen hast. Sie haben sich sehr über deine Gesellschaft gefreut. Hast du Lust, mit zum Tee zu uns zu kommen?« Erwartungsvoll sah sie mich an.
»Haben Sie auch Pfefferminztee?«, sagte ich und grinste Nikolas an. Beide kicherten.
»Aber selbstverständlich. Das ist unsere Lieblingssorte«, entgegnete Katy.
»Dann komme ich sehr gern«, sagte ich.
Katy gab Nikolas ihren Korb. »Wenn du den für mich trägst, mein Liebster, dann gehen wir voran.« Sie sah ihn fragend an und er nickte.
Katy griff nach meiner Hand und legte sie in ihre Ellbogenbeuge. Ich hatte keine Ahnung, wo sie mich hinführte, denn auf dieser Seite des Friedhofs gab es keine Häuser, aber sie marschierte drauflos und ich folgte ihr. Für jemand, der vermutlich sechzig Jahre älter war als ich, ging sie erstaunlich schnell.
Eine Zeit lang folgten wir dem Weg. Hin und wieder machte er eine scharfe Biegung mal zu der einen, mal zu der anderen Seite. Je weiter wir kamen, desto zahlreicher wurden die Kurven. Auch das Laubwerk wurde immer dichter. Die Bäume schienen enger nebeneinanderzustehen, ihre Äste waren ineinander verschlungen und filterten das Tageslicht, das nur noch in kleinen Flecken hindurchschien.
Weiches Moos und spärliche Blumen sprossen aus dem Erdreich. Wilder Farn überwucherte den Pfad und machte ihn noch enger. Er schien nach uns zu greifen, als wir vorbeigingen. Die veränderte Landschaft hätte mich wohl stutzig machen sollen, aber in der Gesellschaft von Nikolas und Katy fühlte ich mich geborgen.
Ich hörte das schrille Zwitschern der Vögel. Sie
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