The Hollow
sangen eine wirre Melodie, die niemand außer ihnen verstand. Ein lautes Klopfen deutete darauf hin, dass ein Specht in der Nähe sein musste, und als wir einen riesigen Baumstamm passierten, sah ich ihn. Sein Kopf war leuchtend rot. Er unterbrach sein Klopfen einen Moment lang und sah mich an, als wäre er überrascht, dass jemand so dicht an einem Ort vorbeiging, der ihm vorbehalten war.
Das alles war sehr … ungewöhnlich. Ich hatte immer viel Zeit draußen verbracht und jede Menge Bäume und Pflanzen und Vögel gesehen, aber das hier … war etwas ganz anderes. Das hier war wilde, unberührte Natur. Natur im Urzustand.
Was mich am meisten überraschte, war, dass ich diesen Ort noch nie bemerkt hatte. Ich hätte gedacht, dass Kristen und ich jeden Zentimeter des Friedhofs erforscht hätten.
Plötzlich wurden Katys Schritte langsamer und sie zeigte auf eine schmale hölzerne Brücke vor uns. Die altersschwachen Bretter wackelten und klapperten unter unseren Füßen, als wir sie überquerten. Tripp-trapp-tripp-trapp hallte es wie ein Echo um uns herum. Das Geräusch war unheimlich und mehr als einmal drehte ich mich um, ob nicht vielleicht ein Pferd hinter uns herkam. Vielleicht auch noch ein kopfloser Reiter …?
Ich sah auf den schmalen Bach unter mir und kam mir blöd vor. Der Reiter konnte kein Wasser überqueren. Was reimte ich mir da eigentlich zusammen? Mit einem gezwungenen Lachen verließ ich die Brücke und seufzte erleichtert. Nikolas war nur ein paar Schritte hinter uns, aber er hatte uns schnell eingeholt.
Mit offenem Mund sah ich auf das, was vor uns stand. Das rundum vollkommenste, wie aus einem Märchenbuch stammende Häuschen, das ich je gesehen hatte.
Die Wände bestanden aus großen, ungleichmäßig gerundeten Steinen und das Dach schien strohgedeckt zu sein. Unter jedem der Rundbogenfenster mit Bleiglas wuchsen üppige Pflanzen der unterschiedlichsten Art. Lilafarbene Blütenranken überwucherten den dicken Schornstein links über der hölzernen Eingangstür.
»Glyzinien«, sagte ich leise vor mich hin. Ich kannte sie von dem Irving-Grundstück. »Ihr Haus ist absolut hinreißend«, sagte ich ehrfurchtsvoll. »Ich wusste gar nicht, dass hier jemand wohnt.«
Katy nickte. »Danke für das Kompliment. Ich bin sicher, mein Haus weiß es zu schätzen.«
»Wie schön, dass Ihr Haus Komplimente mag«, sagte ich lächelnd. Ich sah mich noch voller Bewunderung um, als Nikolas um mich herumging und den Korb neben der Haustür abstellte. Er drückte die Tür auf und streckte die Hand nach Katy aus, die sich gebückt hatte, um ein abgestorbenes Blatt von einer der Glyzinienranken abzuknipsen. Sie legte ihre Hand in seine und zusammen gingen sie über die Schwelle. Dabei tauschten sie einen Blick, der mich schmerzlich an meine seit Langem verstorbenen Großeltern erinnerte. »Fühl dich bitte wie zu Hause, Abbey«, rief Katy von innen.
Ich holte tief Luft und betrat erwartungsvoll das Haus. Ich wurde nicht enttäuscht. Innen war es genauso schön wie von außen. Buchstäblich überall waren Blumen. Das Haus hätte genauso gut ein Blumenladen sein können. Trockenblumensträuße hingen an den Wänden und von den freigelegten Holzbalken herunter und auf jeder freien Fläche standen altmodische Glasvasen mit Blumen darin.
Die Ablageflächen waren ordentlich und sauber, nirgendwo waren Snacks oder Junkfood zu sehen wie bei mir zu Hause. Nicht einmal ein Laib Brot stand herum. An einer der weißen Wände hing ein Spinnrad und vor dem aus Ziegeln gemauerten Kamin stand ein viel benutzter Tisch mit einer massiven Schieferplatte, offensichtlich der Treffpunkt der Familie.
Ich stand ein wenig verlegen herum und wusste nicht, was ich tun sollte, jetzt, da ich tatsächlich in diesem Haus war. Aber Katy bat mich, mich hinzusetzen, und deutete auf den Tisch. Ich zog einen reich geschnitzten hölzernen Stuhl hervor und tat, was sie gesagt hatte.
Nikolas tapste zu einem eisernen Teekessel, der neben dem Kamin hing, nahm ihn mit zur Spüle und sprach leise mit Katy, während er Wasser hineinfüllte. Sie nahm ein paar Blätter aus einer Schale auf dem Tresen und brachte sie ihm. Der Blick, mit dem sie ihn ansah, als sie mit einer ihrer faltigen Hände seine wild abstehenden Haare glättete, gab mir das Gefühl, Zeuge von etwas sehr Privatem zu sein. Ich sah weg und ließ meinen Gedanken freien Lauf.
Ich stellte mir vor, dass ich in diesem Haus wohnte. Umgeben von meinen Flaschen und Ölen und Glaskrügen. Ich
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