The Homelanders, Band 2: The Homelanders - Auf der Flucht (Bd. 2) (German Edition)
der Kirche in die frostige Dunkelheit hinaustrat, wurde mir klar, wohin ich wollte. Im Schlaf hatte ich einen Einfall gehabt. Ich glaube, es war die Antwort auf mein Gebet. Jetzt wusste ich, wo ich mich in Spring Hill sowohl vor der Polizei als auch vor meinen Freunden verstecken konnte.
Als ich mich der Stadt näherte, rückten die Häuser dichter zusammen. Ich kam an einem kleinen Flugplatz vorbei, dann an einer Schule und einer Wohnsiedlung mit vielen unbebauten Grundstücken, die von Gras überwuchert waren. Noch immer hielt ich mich von den Straßen fern, aber ich blieb in Sichtweite und sah die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos. Das Wispern des Verkehrs erreichte mich überall.
Obwohl ich in der Kirche noch reichlich Wasser getrunken hatte, bevor ich ging, spürte ich den nagenden Hunger jetztwieder mit voller Wucht. Wenn ich nicht bald etwas zu essen fand, konnte ich mich nicht mehr lange auf den Beinen halten. Ich hatte Geld. Die 200 Dollar, die ich dem blonden Killer in der Bibliothek abgenommen hatte. Aber es würde nicht einfach sein, damit etwas zu kaufen. Bestimmt wurde in den Fernsehnachrichten und in den Morgenzeitungen über meinen Zusammenstoß mit der Polizei in Whitney berichtet und die ganze Stadt mit Fahndungsfotos gepflastert. Es war einfach zu riskant, in ein Geschäft zu gehen.
Also suchte ich nach einem Snackautomaten. Ich erinnerte mich, dass vor der Bowlingbahn, wo ich ein paarmal gespielt hatte, welche standen. Sie waren tatsächlich noch da. Ich deckte mich mit Erdnusskeksen, Chips und Schokoriegeln ein. Nicht gerade das gesündeste Essen, aber das war alles, was es gab. Und ich kam um vor Hunger. Als ich der Meinung war, es sei genug, trug ich alles in die dunkelste Ecke des Parkplatzes, setzte mich im Schneidersitz auf den Boden und stopfte so viel wie möglich in mich hinein. Das, was übrig blieb – nur ein oder zwei Schokoriegel –, steckte ich für später in die Taschen meiner Fleecejacke.
Ich zog weiter. Je näher ich an den Stadtrand kam, desto vertrauter wurde alles. Ich sah das Einkaufszentrum, wo ich manchmal rumgehangen hatte, das Kino, in das ich oft gegangen war, und die Tankstelle, wo ich hin und wieder getankt hatte.
Es war ein seltsames Gefühl, das alles zu sehen. Ich kam mir vor wie mein eigener Geist, der an den Orten der Stadt herumspukte, wo ich einst gelebt hatte. Es tat weh. Als ich hier gewohnt hatte und mein Leben noch in Ordnung gewesen war,war ich weiß Gott nicht jeden Morgen mit Hurrageschrei aufgewacht oder so. Ich hatte nicht jeden Tag dem Himmel dafür gedankt, welches Glück ich hatte. Das wäre mir idiotisch vorgekommen. Für mich war es einfach mein Zuhause, weiter nichts.
Aber jetzt, als ich hier draußen in der Dunkelheit vor Kälte zitterte und die ganze Welt zum Feind hatte – jetzt war jede Erinnerung von einem goldenen Licht umhüllt. Als sei jede Minute in meinem früheren Leben schön und gesegnet gewesen. Obwohl es so vieles gab, woran ich mich nicht erinnern konnte. Immerhin fehlte mir ein ganzes Jahr … Aber da war noch so viel mehr, da waren noch so viele andere Jahre, die jetzt alle wie in einer Flut zurückströmten.
Ich kam an Straßen vorbei, in denen ich mit zwölf Fahrrad gefahren war. Vorbei an einem Baseballfeld, wo ich die Spiele von Alex in der Little League verfolgt und danach Eis mit ihm gegessen hatte. Ich sah meine Grundschule – ein langes, flaches graues Gebäude, das sich in all den Jahren nie verändert hatte. Die Pizzeria, in der Josh, Rick, Miler und ich uns getroffen hatten, um die Strategie für unseren Übungsprozess beim Schülergericht zu besprechen.
Damals war alles ganz normal gewesen. Und jetzt sehnte ich mich nach diesen Tagen. Sie waren wie ein Gewicht in meinem Magen, wie ein Amboss oder ein Anker. Ich schleppte die Erinnerungen mit mir herum und fühlte mich schwerer und langsamer, je näher ich dem Stadtzentrum kam.
Schon bald gelangte ich in mein altes Wohnviertel, lief an vertrauten Häusern vorbei, die unter den Bäumen im Schatten lagen. Ich spürte den unwiderstehlichen Drang, zu meinem alten Zuhause zu gehen. Ich weiß nicht, warum. Meine Elternlebten nicht mehr da, sie waren fortgezogen, nachdem ich verurteilt worden war. Wer auch immer jetzt dort wohnte, hatte vermutlich alles verändert, das Haus neu angestrichen und so weiter. Vermutlich böte es einen ziemlich deprimierenden Anblick.
Trotzdem wollte ich es unbedingt sehen.
Der Drang wurde fast übermächtig.
Aber ich durfte
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