The Homelanders, Band 2: The Homelanders - Auf der Flucht (Bd. 2) (German Edition)
Vater die Familie verlassen hatte, erzählte von seiner Mutter, die die ganze Zeit weinte, und von all den anderen Sachen.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Klar, auch meine Familie hatte ihre Probleme, genauso wie andere Familien. Aberwas Alex erzählte, hörte sich wirklich hart an, härter als alles, was ich je durchgemacht hatte. Ich versuchte einfach, ihm zuzuhören und ihm Mut zu machen, sagte ihm, er solle stark bleiben und nicht aufgeben.
Aber Alex wollte das alles nicht hören. Sosehr ich mich auch bemühte, ihm zu helfen – aus unserer Unterhaltung wurde bald ein Streit, und zwar ein heftiger. Alex sagte merkwürdige Dinge, redete davon, dass alles, was die Leute einem erzählten, eine Lüge sei, dass man an nichts glauben könne und alles niedergerissen werden müsse, um wieder neu aufgebaut zu werden. Es war wirres Zeug. Aber er sagte, er habe all diese neuen Freunde, die auch seiner Meinung seien und denen er vertraue.
Schließlich wurde er richtig wütend und behauptete, ich wisse gar nicht, wovon ich rede und was er durchmache. Er schrie mich regelrecht an – so laut, dass eine Frau, die mit ihrem Hund vorbeikam, stehen blieb und zu uns herüberschaute.
Dann öffnete Alex die Wagentür, stürzte hinaus und lief davon. Ich versuchte, ihn aufzuhalten, aber er rannte in einen Park.
Das war alles. Auf jeden Fall alles, was ich gesehen hatte.
Aber in diesem Zeitungsartikel, den ich auf der Kirchenbank im Mondlicht las, stand noch mehr. Ich musste mich anstrengen, um die Worte zu entziffern.
Da stand, dass Alex nicht mehr lebendig aus dem Park herausgekommen war.
Zwei Jugendliche hatten sich dort aufgehalten – Bobby Hernández und Steve Hassel. Schüler der Mittelstufe, die ungestört rauchen und Bier trinken wollten. Sie sagten gegenüber der Zeitung, sie hätten Alex und mich auf der Straßestreiten gehört. Ein paar Sekunden später sahen sie, wie Alex in den Park gerannt kam und unter einer der Straßenlampen stehen blieb. Deshalb konnten sie ihn später identifizieren. Dann war er im Schatten verschwunden, aber die beiden konnten noch immer seine Gestalt sehen. Er schien einfach nur dazustehen und über irgendetwas nachzudenken.
Laut Aussage von Bobby und Steve trat nach einer Weile jemand auf Alex zu. Dieser andere Typ stand ebenfalls im Schatten, sodass sie sein Gesicht nicht erkennen konnten. Aber sie sahen, wie er und Alex miteinander redeten, als würden sie sich kennen. Dann hätten Alex und dieser andere Typ irgendwann angefangen, zu streiten. Worüber, war nicht zu hören, aber den beiden Jungs fiel der angespannte, aufgebrachte Tonfall auf.
Schließlich, so Bobby und Steve, sei der Typ ganz dicht an Alex herangetreten. Mit der einen Hand packte er ihn an der Schulter, die andere Hand fuhr zu seiner Brust. Plötzlich sackte Alex auf die Knie und der andere lief weg, verschwand in der Dunkelheit des Parks. Die Jungs sahen, wie Alex umkippte und zu Boden fiel.
»Zuerst wussten wir nicht, was wir tun sollten«, sagte Steve. »Wir wollten ja nicht, dass jemand mitbekam, was wir im Park machten.«
»Aber der Kerl blieb einfach liegen und bewegte sich nicht«, fügte Bobby hinzu. »Also mussten wir hingehen und nachsehen, was mit ihm los war.«
Alex hatte ein Messer in der Brust – das war mit ihm los.
»Es war heftig«, sagte Bobby. »Das Blut sprudelte nur so aus ihm heraus, und sein Hemd war vollkommen rot, total durchtränkt von Blut.«
»Er konnte sich nicht mehr bewegen, aber er atmete noch«, fuhr Steve fort. »Er hatte die Augen auf und sagte immer wieder diesen Namen. Er sagte nur: ›Charlie, Charlie …‹«
Einer der Jungs wählte 911 auf seinem Handy, aber als der Rettungswagen kam, war Alex bereits tot.
Ich ließ die Seite auf meine Brust sinken. Vieles davon hatte ich nicht gewusst. An dem Tag, nach dem Alex gestorben war, war mein Leben verschwunden. Am nächsten Morgen – oder was ich für den nächsten Morgen gehalten hatte – wachte ich in Gefangenschaft der Homelanders auf. Die gesamte Erinnerung an das Jahr davor war weg.
Woher soll man wissen, ob man zu den Guten oder zu den Bösen gehört?
Ich lag auf der Kirchenbank und starrte hinauf zum Fenster, zum Halbmond am Himmel und den Wolken, die unter ihm vorbeizogen. Ich dachte an Alex, wie er auf dem Boden lag und das Blut aus seiner Brust strömte. Wie er mit seinen letzten Atemzügen meinen Namen flüsterte. Meine Gedanken wanderten zurück zu der Zeit, als wir Kinder waren, auf der Straße
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