The Homelanders, Band 2: The Homelanders - Auf der Flucht (Bd. 2) (German Edition)
es nicht riskieren, denn bald würde der Morgen anbrechen. Man kann den Tagesanbruch riechen. Man spürt ihn in der Luft, erkennt ihn an der Art, wie die Vögel zwitschern. Auch das hatte ich in den Wochen auf der Flucht gelernt.
Schnell drehte ich mich um, marschierte in die andere Richtung.
Ich lief durch weitere Wohnviertel. Die Straßen waren menschenleer, die Häuser dunkel. Ich ging durch die Vorgärten, nicht über den Gehweg, für den Fall, dass ein Streifenwagen vorbeikam. Doch ich hielt mich auch von den Hinterhöfen fern, weil dort oft Hunde sind. Noch etwas, das ich auf der Flucht gelernt hatte.
Schließlich gelangte ich in einen ziemlich heruntergekommenen Teil der Stadt. Hier waren die Häuser kleiner und ungepflegter. Viele hatte man lange nicht mehr gestrichen, und die Fenster waren mit Plastikfolie bespannt. Bei einigen bröckelte die Veranda ab, und die meisten der Vorgärten waren mit Müll, Elektroschrott und Autoreifen vollgestopft.
Ein Stückchen weiter lagen Grundstücke, auf denen keine Häuser mehr standen. Man sah nur noch ihre Grundmauern und Geröll, Gras und Müll. Dahinter ein offenes Feld und eine Straße, die durch ein kleines Kiefernwäldchen führte. Der Asphaltwar überall aufgeplatzt und zerbröselt. Er knirschte unter meinen Füßen.
Am Ende der Straße war das Eisentor und dahinter lag sie.
Die Geistervilla.
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D IE G EISTERVILLA
Jedenfalls hatten wir sie immer so genannt – Josh, Miler, Rick und ich. Genauso wie alle anderen Kinder. Eigentlich hieß die Villa »McKenzie House«. Sie hatte einmal einem reichen Typen namens McKenzie gehört, der Besitzer einer Fabrik oder so etwas war, bevor ich geboren wurde.
In jenen Tagen hatte sich hier das vornehme Viertel der Stadt befunden, aber jetzt war es so gut wie ausgestorben. Auch die Villa war verlassen, schon solange ich denken konnte. Und solange ich denken konnte, hatte sich hinter diesem Eisentor nur noch das dreistöckige Wrack von einem Haus aufgetürmt. Nur wenige der Dachzimmer waren noch intakt, es gab finstere Giebel, schwarze Erkerfenster und ein Mansardendach. Der durcheinandergewürfelte Bau stand auf einem kleinen Grashügel, und seine schwarzen, zerbrochenen Fenster starrten wie tote Augen auf die Welt hinunter. Es war fast so, als würde das Haus mich beobachten. Als würde es auf jemanden warten, der näher kam, damit es … Na ja, ich weiß auch nicht, was. Aber jedenfalls nichts Gutes. Wenn es je ein Haus gegeben hatte, in dem es einfach spuken musste, dann dieses. Hinter dem Haus befand sich sogar ein kleiner Friedhof, auf dem wohl die Familie McKenzie ihre Toten zur ewigen Ruhe gebettet hatte.
Es gab einen Grund, warum ich dieses Haus so gut kannte,und er hatte wieder einmal mit meinem Geschichtslehrer Mr Sherman zu tun. Es war zwei Jahre her, und wir behandelten im Unterricht gerade die Hexenprozesse von Salem. Die berühmten Salem Witch Trials fanden in der Kolonialzeit statt, bevor Amerika eine Nation wurde. Da waren all diese hysterischen Mädchen, die herumliefen und schrien, sie würden von Hexen verfolgt, womit sie eine Welle der Angst in ganz Massachusetts und anderen Teilen Neuenglands auslösten. Viele ganz normale Leute wurden plötzlich als Hexen verurteilt. Einige von ihnen wurden ins Gefängnis gesteckt, und 20 oder mehr sogar getötet. Später, nachdem die ganze Panik vorbei war, erkannten die Leute, dass sie den Verstand verloren und etwas Schreckliches getan hatten, indem sie grundlos ihre Nachbarn umbrachten.
Manchmal braucht es sehr viel Mut, seinen Verstand und sein Herz sprechen zu lassen und für die Wahrheit einzustehen. Ich glaube, bei den Salem Witch Trials haben das viel zu wenig Leute getan.
Zumindest war das die Lehre, die ich aus dieser Geschichte gezogen hatte.
Für Mr Sherman war die Botschaft natürlich eine andere. Seiner Ansicht nach bewiesen die Hexenprozesse, dass Religion schlecht ist. Man muss wissen, dass die Menschen in Salem zur damaligen Zeit Puritaner waren, also sehr streng religiös. Da ausgerechnet sie die Prozesse gegen die Hexen veranlassten, bewies das, so mein Lehrer, dass das eigentliche Problem die Religion war.
Wie gesagt, Mr Sherman war ein Depp.
Jedenfalls sollten wir eine Hausarbeit zum Thema Aberglaube schreiben. Sherman wollte, dass wir recherchiertenund anhand eines Beispiels aufzeigten, warum Aberglaube etwas Falsches war. Auf den ersten Blick hielt ich es für eine ziemliche coole Aufgabe. Es hörte sich nach Spaß an. Aber alle
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