The Homelanders, Band 2: The Homelanders - Auf der Flucht (Bd. 2) (German Edition)
zusammen Ball spielten, Videospiele zockten und ins Kino gingen. Die Vorstellung, wie er dalag und Fremden meinen Namen zuflüsterte, als er starb, tat mir weh.
Ich erinnerte mich daran, was ich an dem Tag sonst noch getan hatte. Zumindest glaubte ich das. Ich war nach Hause gefahren, hatte meine Hausaufgaben erledigt, mit Josh gechattet und mit Rick telefoniert. Ich erinnerte mich sogar daran, wie ich ins Bett gegangen war. Hätte ich mich nicht auch daran erinnert, wenn ich Alex etwas angetan hätte? Daran hätte ich mich doch erinnert. Oder nicht?
Vielleicht wusste ich es nur nicht mehr. Vielleicht hatte etwasin mir ausgesetzt, und es war ein solcher Schock, dass alles ausgelöscht wurde. Die Polizei sagte, ich hätte ihn ermordet. Auch die Geschworenen waren zu dieser Überzeugung gelangt, nachdem man ihnen alle Indizien vorgetragen hatte. Vielleicht war ich tatsächlich ein Mörder und gehörte ins Gefängnis, wie alle sagten. Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal, wenn die Cops versuchten, mich einzufangen, nicht wegrennen, sondern mich einfach ergeben.
Aber tief in meinem Herzen, tief in meinem Inneren konnte ich es einfach nicht glauben. Ich wusste, dass ich es nicht getan hatte. So wütend ich auch auf Alex gewesen war – ich wäre niemals mit einem Messer auf ihn losgegangen! Das war doch verrückt. Ich würde niemanden töten. Und ich würde niemanden verletzen. Nicht, wenn ich eine Wahl hatte. Das hatte ich sowohl in der Kirche als auch beim Karate gelernt, Sensei Mike hatte es mir regelrecht eingebläut. Gesegnet seien die Friedensstifter. Wenn jemand dich schlägt, dann halte ihm auch die andere Wange hin. Tue alles, was du kannst, um einen Kampf zu vermeiden, alles: Gehe fort, wenn du musst, selbst wenn man dich einen Feigling nennt. Selbst wenn du dich wie ein Feigling fühlst. Kämpfe nur dann, wenn du dich selbst oder jemand anderen verteidigen musst. Wenn du etwas verteidigen musst, das wichtiger ist als du selbst, wie etwa deine Freiheit oder die eines anderen. An diese Wahrheiten glaubte ich. Zu 100 Prozent. Ich hatte nur Angst, weil ich mich nicht mehr erinnern konnte, weil die Polizei hinter mir her war und das Gericht mich schuldig gesprochen hatte. Ich fürchtete das Schlimmste von mir selbst. Aber jedes Mal, wenn ich in mein Herz schaute, wusste ich: Ich hatte ihn nicht getötet!
Vor ungefähr einem Monat hatte die Polizei mich gestellt und verhaftet. Die Beamten führten mich zu einem Wagen, um mich zurück ins Gefängnis zu bringen. Aber kurz bevor ich einstieg, trat jemand – ich weiß nicht, wer – aus der Menge der Schaulustigen heraus und löste meine Handschellen, sodass ich entkommen konnte. Dabei flüsterte er mir etwas ins Ohr: »Du bist ein besserer Mensch, als du denkst. Finde Waterman.«
Du bist ein besserer Mensch, als du denkst.
Das musste ich glauben. Ich musste glauben, dass ich kein Mörder war, musste glauben, dass ich diesen Waterman finden und meinen Namen reinwaschen konnte. Das war alles, woran ich mich klammern konnte.
Ich lag da und starrte den Mond an. Ich hatte keine Ahnung, wo ich Waterman suchen sollte, wusste nicht einmal, wer er war. Aber ich wusste, wo ich anfangen musste, nach Beweisen für meine Unschuld zu suchen. Ich musste zurück nach Spring Hill und herausfinden, was wirklich mit Alex passiert war. Die Polizei wartete dort bereits auf mich, also durfte ich nicht auffallen oder in ihre Nähe kommen. Und ich musste mich von meinen Freunden fernhalten, denn ich wollte sie auf keinen Fall in Schwierigkeiten bringen.
Aber wenn es irgendwo einen Beweis gab, dass ich kein Mörder war, dann in Spring Hill. Und wenn es einen Beweis gab, dass ich doch ein Mörder war … nun, dann war er ebenfalls dort zu finden. So oder so. Was auch immer die Wahrheit sein mochte: Ich musste es herausfinden. Ich schloss die Augen und sprach ein Gebet. Ich bat Gott, er möge mir bei meiner Suche helfen. Noch bevor ich das Gebet beendet hatte, war ich eingeschlafen.
TEIL ZWEI
12
H EIMKEHR
Ich wachte in der Dunkelheit auf. Nach all den Wochen auf der Flucht hatte ich mir das antrainiert. Als Flüchtiger darf man die Dunkelheit nicht verschwenden, sie ist kostbar. Solange es dunkel ist, kann man unbemerkt von einem Ort zum anderen gelangen, sobald die Sonne aufgeht, wird man zur Zielscheibe.
Ich zitterte vor Kälte, als ich erneut in die Toilette hinter der Sakristei taumelte. Dort wusch ich mich, so gut es ging, und machte mich bereit, aufzubrechen. Als ich aus
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