The Homelanders, Band 3: The Homelanders - Tödliche Wahrheit (Bd. 3) (German Edition)
Waffe in seiner Manteltasche verbarg, diesmal vermutlich keine Betäubungspistole. Wenn ich versuchen wollte, zu entkommen, dann nicht jetzt. Ich musste sie in einem unachtsamen Moment überraschen, um überhaupt eine Chance zu haben.
Waterman schaute über seine Schulter zurück, als fürchte er, jemand könne uns beobachten. Vor dem Scheunentor war außer Bäumen nichts zu erkennen.
»In Ordnung«, sagte er und knallte den Kofferraumdeckel zu. »Wir können nicht länger hier rumstehen. Gehen wir.«
Dodger-Jim trat zur Seite und machte eine ironische Handbewegung hin zum Scheunentor, die wohl so viel bedeuten sollte wie: Hier entlang, Sir. Ich trat hinaus in einen tiefen Wald, der bereits im Schatten der hereinbrechenden Nacht verschwand. Es war kalt hier, kälter als in der Stadt und es wurde immer eisiger mit jedem Augenblick, in dem das Licht schwächer wurde. Mein Atem gefror und durch die Fleecejacke hindurch spürte ich, wie die Kälte an meiner Haut nagte.
Waterman schloss das Scheunentor, bevor er links und Dodger-Jim rechts neben mich trat. Vor uns lag ein Pfad, der sich in drei Richtungen gabelte. Wir nahmen den rechten.
Manchmal gingen wir nebeneinander, aber da der Pfad die meiste Zeit zu schmal war, ging Waterman vorn, gefolgt von mir, und dann Dodger-Jim. Keine Chance für einen Fluchtversuch.
Zuerst hielt ich den Mund. Waterman wollte nicht, dass ich Fragen stellte, aber dann dachte ich: Was kümmert es mich, was er will? Ich musste diese Typen ablenken, damit ich meine Chance bekam.
Also fragte ich: »Hey, wer sind Sie eigentlich?«
Waterman sagte nichts.
Ich versuchte es noch einmal: »Ich meine, gehören Sie zu den Guten oder zu den Bösen?«
Waterman schnaubte. »Hängt das nicht davon ab, auf welcher Seite man steht?«
Diese Antwort regte mich auf. Solches Gerede hatte ich in letzter Zeit nur zu oft gehört. Nichts ist wirklich gut oder schlecht, es ist alles eine Frage der Perspektive, der Kultur, aus der man stammt, es kommt darauf an, was man gelernt hat und was man zufällig glaubt und so weiter und so fort. Er hörte sich genauso an wie Mr Sherman, mein Geschichtslehrer, der sich als einer der Homelanders entpuppt hatte.
In der letzten Woche, als ich nach New York unterwegs war, um Waterman zu finden, hatte ich reichlich Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken. Wenn alle gegen einen sind, nicht nur die Terroristen, sondern auch die Polizei, dann fragt man sich automatisch: Habe ich etwas falsch gemacht? Bin ich ein Schurke? Sollte ich mich stellen und die Strafe auf mich nehmen, die ich offensichtlich verdiene? Es ist etwas anderes als ein Mathetest oder ein Rechtschreibwettbewerb, die Antworten sind nicht einfach nur richtig oder falsch. Aberdas bedeutet nicht, dass es keine Antworten gibt – und in meiner Situation mussten es die richtigen sein, sonst konnte es zu einer Katastrophe kommen, konnte einen sogar das Leben kosten.
»Nein«, entgegnete ich. »Ich glaube nicht, dass Gut und Böse davon abhängen, auf welcher Seite man steht. Meiner Meinung nach glaubt niemand das wirklich. Die Leute sagen es nur, weil sie meinen, sie würden dann aufgeschlossen und gebildet wirken.«
»Ach ja?« Waterman drehte sich zu mir um und schaute mich mit einem ironischen Lächeln an. »Du meinst, es gibt nur Gut und Böse und sonst nichts?«
»Ja, so ungefähr«, sagte ich. »Vielleicht wissen wir nicht immer, was es ist. Vielleicht bauen wir Mist, wenn wir versuchen, es zu finden. Aber das heißt nicht, dass es nicht vorhanden ist, dass man es nicht herausfinden kann, wenn man sich bemüht.«
Waterman drehte sich wieder nach vorn und ging auf dem schmalen Pfad voran. »Manche würden sagen, dass das eine ganz schön simple Weltsicht ist.«
Sehr gut, jetzt hatte ich seine Aufmerksamkeit.
»Ein Fels ist härter als eine Feder«, fuhr ich fort. »Man kann drumherum reden und labern und Ausflüchte finden, aber wenn man entscheiden soll, womit man auf den Kopf geschlagen wird, wählt man immer die Feder.«
Wieder schnaubte Waterman verächtlich. »Was redest du da? Ein Fels ist also härter als eine Feder. Ja, und? Was soll das heißen?«
»Es soll heißen, dass einfach und simpel nicht dasselbe ist. Manche Dinge sind wahr, egal ob sie nun einfach sind odernicht. Manchmal machen die Leute sie auch nur kompliziert, damit sie nicht für das einstehen müssen, was einfach und wahr ist. Das ist bequemer und sicherer. Aber deshalb ist es noch lange nicht richtig.«
Ich schaute über die
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