The Homelanders, Band 3: The Homelanders - Tödliche Wahrheit (Bd. 3) (German Edition)
wollte die Zeit und den Ort unserer Begegnung selbst bestimmen.
Es war Ende November, kurz vor Thanksgiving. Die Läden waren weihnachtlich geschmückt und in einigen Schaufenstern sah man aufwendige Dekorationen. Ich hastete an einer Szene aus viktorianischer Zeit vorbei, wo kleine elektronische Schlittschuhläufer über einen zugefrorenen See glitten, vorbei an einer Darstellung des Gedichts The Night Before Christmas , wo der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten gerade auf einem Dach landete. Als meine Augen über die sich bewegenden Figuren wanderten, stellte ich mir vor, wie es wäre, an den Feiertagen zu Hause zu sein, bei meiner Mutter und meinem Vater. Bei meiner Freundin Beth, um unser erstes gemeinsames Weihnachten zu verbringen ... Jedenfalls das erste gemeinsame Weihnachten, an das ich mich erinnern konnte.
Als ich aus diesem Tagtraum erwachte und die Straße hinunterschaute, bemerkte ich zu meinem Entsetzen, dass Waterman verschwunden war.
Ich blieb stehen und sah verzweifelt nach rechts und links. Die Straße war von Backsteinhäusern gesäumt. Altmodische vierstöckige Wohnhäuser, in einer langen Reihe zusammengedrängt und alle mit einer Steintreppe versehen, die zur Eingangstür hinaufführte. Meine Augen suchten die Treppen ab, wanderten von Tür zu Tür. Er war nirgends zu sehen!
Ich ging weiter, rannte fast, bis zu der Stelle, wo ich ihn zuletzt beobachtet hatte.
In diesem Augenblick bemerkte ich die Gasse.
Es war eher ein betonierter Durchgang zwischen zwei Backsteinmauern, der an einer fensterlosen Mauer endete. Für einen Wagen war er zu schmal, und außer ein paar Mülleimern war dort nichts zu sehen.
Bis auf Waterman.
Regungslos stand er fast am Ende der Gasse, die Hände in den Manteltaschen, und wartete.
Auf mich.
Ich starrte ihn an und schluckte. Vermutlich hatte er die ganze Zeit gewusst, dass ich ihn verfolgte. Er hatte unseren Treffpunkt bestimmt.
Wie auch immer, ich konnte daran nichts mehr ändern. Entweder redete ich mit ihm oder ich verschwand. Aber nachdem ich ihn so lange gesucht hatte, kam es gar nicht infrage, jetzt einfach abzuhauen.
Wild hämmerte der Puls in meinem Kopf, als ich langsam die Gasse hinunterging. Zitternd vor Kälte blieb ich auf halbem Weg stehen. Mein Atem gefror in der eisigen Luft.
»Hallo, Charlie«, sagte Waterman. Er sprach im weichen, näselnden Tonfall eines Südstaatlers.
Noch einmal musste ich schlucken, bevor ich antworten konnte. »Sie sind Mr Waterman.«
»Richtig.«
»Und Sie kennen mich. Sie wissen, wer ich bin.«
Er lächelte kurz mit zusammengekniffenen Lippen. »Ich kenne dich, Charlie. Ich weiß, wer du bist. Und ich weiß, was mit dir passiert ist. Ich kann dir alles erklären.«
Was ich in diesem Augenblick fühlte, lässt sich kaum beschreiben. Erleichterung und Hoffnung stiegen in mir auf – wie ein riesiger Vogel, der plötzlich seine Schwingen ausbreitet.
Gab es wirklich eine Chance, dass ich nicht mehr davonlaufen, nicht mehr allein sein, keine Angst mehr haben musste?
Bestand wirklich die Möglichkeit, mein Leben zurückzubekommen?
»Sagen Sie es mir«, forderte ich ihn auf. »Erzählen Sie mir alles.«
Wieder lächelte Waterman kurz, schüttelte aber den Kopf. »Tut mir leid«, sagte er. »So einfach ist das nicht.« Er schaute an mir vorbei zum Ende der Gasse.
Ich sah über die Schulter zurück. Ein Mann war in die Gasse getreten. Er war groß und breitschultrig und unter seinem grauen Mantel wölbte sich ein dicker Bauch. Auf dem Kopf trug er eine Baseballkappe der LA Dodgers, die er in sein aalglattes, nicht unattraktives Gesicht gezogen hatte: volle Lippen, Adlernase, tief liegende Augen.
Verwirrt schaute ich wieder zu Waterman, der jedoch unverwandt den Mann mit der Dodgers-Kappe anstarrte.
Dann sagte er: »Schieß!«
Ich wirbelte herum und sah gerade noch, wie der Mann mit der Dodgers-Kappe eine Pistole hob und auf meine Brust zielte. Ich konnte nicht ausweichen, konnte mich nirgendwo verstecken.
Er drückte ab.
Ich hörte das Wispern der Waffe, sah den Rauch, spürte den Schlag auf meiner Brust.
Dann stürzte ich in vollkommene Dunkelheit.
2
A LLES NUR EIN T RAUM
Ich war wieder zu Hause, hatte ein weiches Kissen unter dem Kopf, die warme Decke bis zu den Ohren hochgezogen, und fühlte mich sicher. Unten von der Treppe rief meine Mutter, es sei Zeit für die Schule ...
Aber ich ging nicht zur Schule, sondern lief in meiner Heimatstadt Spring Hill am Spring River entlang, Hand in Hand mit Beth.
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